Von der Kleinstadt Mercedes in der Provinz Buenos Aires nach Kalkar am Niederrhein sind es fast 12.000 Kilometer. Pedro Santiago Cejas hat die Strecke gerade hinter sich, der Argentinier ist nach Hause geflogen. Der 21-Jährige kickt für den Landesligisten SV Hönnepel-Niedermörmter, in seiner Heimat erlebt er jetzt den Wahnsinn um die Weltmeisterschaft in Katar.
Dass er einmal dort landen würde, wo laut kluger Eigenvermarktung des Klubs "Der Acker bebt", hätte der Stürmer wohl auch nie gedacht. Im deutschen Amateurfußball sind Spieler aus dem Land von Superstar Lionel Messi die absolute Ausnahme. Doch "Hö-Nie.", so die gängige Kurzform der Schwarzgelben, soll für den 1,91 Meter großen Torjäger, der sich zuvor beim niederländischen Erstligisten FC Utrecht im Probetraining vorgestellt hatte, nur eine Durchgangsstation sein. Bevor er aber Anfang Januar nach Deutschland zurückkehren wird, um sich für höherklassige Aufgaben anzubieten, will er daheim die größtmögliche Party feiern - den WM-Sieg.
FUSSBALL.DE: Pedro Cejas, was erleben Sie derzeit in Argentinien rund um die WM?
Pedro Cejas: Das ist der Wahnsinn! Ich bin seit Montag in Argentinien, das Halbfinale gegen Kroatien war also das erste WM-Spiel, das ich hier erlebt habe. Wir waren schon immer ein fußballverrücktes Land und eine Weltmeisterschaft ist das Größte für uns. Aber was jetzt hier los ist, das übersteigt alles, was es vorher gab.
"Alle wollen den Titel für Messi"
Erzählen Sie bitte!
Cejas: Nach dem Sieg gegen Kroatien waren die Straßen voller Menschen, es waren Tausende, Zehntausende. Man hat den Eindruck, das ganze Land dreht durch. Die Leute sind außer sich vor Freude.
Und jetzt?
Cejas: Gewinnen wir gegen Frankreich und holen uns den Pokal! Alle wollen den Titel, vor allem für Lionel Messi!
Der Gegner ist jetzt nicht so schlecht…
Cejas: Das stimmt natürlich, Frankreich ist ein großes Team, immerhin der amtierende Weltmeister. Trotzdem, es geht nicht anders: Wir schnappen uns den Titel, auf den das ganze Land schon so lange wartet.
Seit 1986, seit Diego Maradona…
Cejas: Genau! Wir sind jetzt einfach dran.
Haben Sie die "Albiceleste" im Finale erwartet?
Cejas: Bevor das Turnier anfing, schon. Wir hatten erstmals nach Jahren wieder die Copa America gewonnen und waren sehr zuversichtlich, dass wir auch bei der WM weit kommen würden. Dann kam das erste Spiel gegen Saudi-Arabien…
Nach der Auftaktniederlage gegen den Underdog drohte das frühe Aus schon nach der Gruppenphase!
Cejas: Wir wussten, dass wir nur noch zwei Spiele hatten, um das zu korrigieren, zwei frühe Endspiele. Das Team hat die Herausforderung angenommen, dem Druck standgehalten und wurde im Laufe des Turniers immer besser.
Es folgten überzeugende Siege gegen Mexiko und Polen, das erste K.o.-Match gegen Australien war etwas holprig - und dann kam das Drama gegen die Niederlande…
Cejas: Da haben wir alle sehr gelitten. Wenn du 2:0 führst, musst du eigentlich durch sein. Aber dann haben wir es eben im Elfmeterschießen gemacht.
Wie haben Sie denn die Spiele verfolgt, als Sie noch nicht in Argentinien waren?
Cejas: In meiner Wohnung in Neukirchen-Vluyn, und zwar allein. Ich habe es nicht gerne, wenn bei solch wichtigen Spielen jemand dabei ist - außer jetzt im Halbfinale gegen Kroatien, das haben wir mit der gesamten Familie geguckt.
Warum ist die "Albiceleste" so stark, sie besteht ja nicht nur aus Messi, obwohl er der Leuchtturm ist?
Cejas: Es ist ein richtiges Team, mit Mentalität, Power und dem Glauben an die eigene Stärke. Die perfekte Mischung aus erfahrenen Leuten rund um Leo und jungen Spielern macht uns so stark. Julian Alvarez, Alexis Mac Allister oder Leandro Paredes spielen ihre erste WM, sie lassen ihr Herz auf dem Platz.
Und sie werden getragen von sehr vielen Fans, die den weiten Weg von Argentinien nach Katar auf sich genommen haben!
Cejas: Das ist ein wunderbares Bild, wenn man im TV sieht, wie fast das Stadion voll mit unseren himmelbau-weißen Trikots ist. Ich bekomme jetzt schon wieder eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, wie es am Sonntag sein wird.
Wie geht es mit Ihrer Fußballerkarriere weiter?
Cejas: Anfang Januar fliege ich zurück nach Deutschland, dann beginnt die Vorbereitung auf die Rückrunde. Ich fühle mich in Hönnepel wohl und bin dort im Sommer sehr gut aufgenommen worden, aber mein Ziel ist es, Profi zu werden. Das wollte ich schon, seit ich ein Kind bin und angefangen habe, Fußball zu spielen. Deswegen habe ich auch meine Heimat Argentinien verlassen und bin nach Europa gegangen. Die nächsten Monate möchte ich nun nutzen, um mich für einen höherklassigen Verein zu empfehlen.
Autor/-in: Heiko Buschmann