Fußballmanager-Spiele gibt es viele. Beim TC Freisenbruch ist das Spiel die Realität. Nicht Trainer und Vorstand haben das letzte Wort, sondern die Fans. Sie entscheiden über einen echten Verein mit einer echten Mannschaft aus einer echten Kreisliga.
„Es war unsere letzte Chance, sonst wäre Sense gewesen. Der Verein stand vor dem Abgrund“, sagt Peter Schäfer, sportlicher Leiter des TC Freisenbruch. Dann kam den Essenern die Idee: Anders sein, etwas Außergewöhnliches machen. Mal wieder. In der Vergangenheit machten die Freisenbrucher Schlagzeilen mit einem eigenen Energy-Drink und großen Facebook-Ambitionen . Sie wollten zu den Top 100 Fußballvereinen im sozialen Netzwerk gehören. Ihr aktuelles Projekt ist größer und nochmal verrückter. Es entstand am Stammtisch, „eine typische Schnapsidee“, schmunzelt Schäfer: Ein Reality-Managerspiel für den TC Freisenbruch, den Kreisligisten, der seinen Ascheplatz irgendwo im Grenzgebiet zwischen Essen und Wattenscheid hat.
Welcher Spieler gehört auf welcher Position in die Startelf? Wie teuer sollen Bratwurst und Bier bei den Heimspielen sein? Wann muss der Trainer die Bank räumen? Welcher Spieler soll verpflichtet und wofür sollen die Einnahmen ausgegeben werden? Fragen, die nicht mehr die Verantwortlichen beschäftigen. Die Antworten geben Fans und Mitglieder, getreu dem Motto: „Der TC Freisenbruch – Dein Club – Du entscheidest.“
Fünf Euro im Monat
"Es war unsere letzte Chance, sonst wäre Sense gewesen. Der Verein stand vor dem Abgrund"
Für fünf Euro im Monat kann man gleichzeitig Trainer, Manager, Vorstand, Finanzchef und Investor des Vereins werden – per Registrierung auf der Website des Klubs . Nach erfolgreicher Anmeldung ist man Teil des Teams. „Das Programm wurde am 1. Juli scharf geschaltet. Seitdem haben sich 204 Personen angemeldet“, sagt Schäfer. Nicht nur Fans aus der Umgebung, sondern Menschen aus der ganzen Welt seien dabei. Der sportliche Leiter zählt auf: „Wir haben virtuelle Manager aus Vietnam, Spanien, Österreich und der Schweiz.“
Das Projekt ist Gesprächsthema weit über das Ruhrgebiet hinaus. „Letztens hatten wir Spiegel online und das ZDF in unserer Kabine. Das motiviert natürlich meine Jungs“, weiß er. Das Resultat: Tabellenplatz eins und viel mehr Zuschauer im Waldstation Bergmannsbusch. „Die Euphorie ist groß“, sagt Schäfer. „Die Entwicklung des Vereins ist seit Jahren endlich mal wieder positiv. Es geht aufwärts.“
Großer Aufwand
Bis zu dieser Erkenntnis hat es viel Zeit, Herzblut, Leidenschaft und Schweiß gekostet. Zwei Jahre lang wurde das Reality-Managerspiel konzipiert – „von Fußballverrückten und ehrenamtlichen Mitarbeitern“, erzählt Schäfer. Das Spiel musste programmiert, eine Website und hunderte Informationen erstellt werden. Informationen, die den Nutzer über Spielerleistungen, Trainingseinheiten und die finanzielle Situation auf dem neusten Stand halten. „Damit haben wir uns sehr detailliert auseinandergesetzt. Rund 200 Seiten haben wir zusammengestellt“, schildert er den Aufwand. Regelmäßig bekommen die Nutzer E-Mails auf ihr eigenes Manager-Postfach. Darin enthalten sind Informationen über Verletzungen, unentschuldigtes Fehlen beim Training, Statistiken, Videos, Abrechnungen, Bilanzen und Spieler-Noten vom Trainer. In zeitlichen Abständen werden Leistungstests absolviert, die Daten festgehalten. „Wie bei den Profis in der Bundesliga“, sagt Schäfer stolz. Auf die Frage, ob der Trainer den Mehraufwand gerne betreibt, antwortet er mit einem Schmunzeln: „Er hat sich dran gewöhnt.“
Dank der Informationen können die Nutzer den Verein virtuell managen, beispielsweise entscheiden, wer beim nächsten Spieltag in die Startelf gehört. Per Klick kann das Team zusammengestellt werden. Das Programm fasst dann alle Wunsch-Aufstellungen zusammen und spuckt am Ende die finale Elf aus. Die Informationen erreichen Schäfer. Er gibt sie weiter in die Kabine. Nicht immer stimmen dabei die Meinung der virtuellen Manager und des Trainers überein: „Manchmal weichen zwei oder drei Positionen ab. Aber unser Coach und die Spieler, die trotz seiner Empfehlung auf der Bank sitzen, akzeptieren das.“ Beim TC Freisenbruch haben eben die Fans das letzte Wort. Und natürlich, wie Schäfer mit einem Augenzwinkern sagt: „Eine realistische Chance mit ihrem Klub, ihrer Truppe um die Ecke, die Champions League zu gewinnen.“
Autor/-in: Julia Schindler