Wenn die Frauen des deutschen Serienmeisters VfL Wolfsburg am Dienstagabend im Halbfinale der Champions League auf den FC Barcelona treffen, dann fiebern auch im südlichen Ruhrgebiet einige Fans mit. Denn bei der TSG Sprockhövel wurde eine Spielerin ausgebildet, die jetzt mit den "Wölfinnen" nach Europas Fußballkrone greift: die deutsche Nationalspielerin Lena Oberdorf.
Die erst 18-Jährige gebürtige Gevelsbergerin hat in der Jugend beim TuS Ennepetal und eben in Sprockhövel gekickt. "Natürlich haben wir ihren Werdegang, seit sie von uns weggegangen ist, weiterhin genau verfolgt. Immer wenn Lena ein großes Spiel hat, dann sitzen auch wir vor dem Fernseher und drücken die Daumen", erzählt André Meister, Geschäftsführer Fußball beim Oberligisten.
Die Bande zur Familie Oberdorf ist in Sprockhövel immer noch eng. "Lenas älterer Bruder Tim hat ja fast die gesamte Jugend bei uns verbracht und bis letztes Jahr in unserer ersten Mannschaft gespielt, ehe er zu Fortuna Düsseldorf II gewechselt ist. Auch die Eltern lassen sich regelmäßig auf unserer Anlage Am Baumhof sehen."
Bis 16 bei den Jungs
"Ich hatte gar keine Probleme bei den Jungs, weil ich schon recht früh körperlich sehr weit war"
Das Ausnahmetalent in der Familie ist aber zweifellos Lena. Weil sie so gut war, spielte sie bei der TSG Sprockhövel noch bis vor zwei Jahren bei den Jungs mit. "Von ihrem Charakter her war sie eher zurückhaltend, aber auf dem Platz hat man davon nichts mehr gemerkt“, grinst André Meister. "Sie war eine Draufgängerin“, gibt Papa Frank Oberdorf im Interview mit DFB-TV zu.
Lena Oberdorf ist froh, dass sie durch diese harte Schule gegangen ist. "Ich bin ein Vertreter davon, Mädchen so lange wie möglich bei Jungs spielen zu lassen. Gerade die Mentalität ist eine ganz andere“, erklärte Lena Oberdorf kürzlich in einem Interview mit der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung . "Ich erinnere mich noch an mein erstes Jahr in der Bundesliga, wo mich alle aus Essen im Zweikampfverhalten schon mal stoppen mussten. Martina Voss-Tecklenburg sagte mir auch schon, ich soll nicht immer so drauf gehen und meinen Körper cleverer einsetzen. Man kann bei den Jungs viel lernen und wird abgehärtet." Aber: "Es kommt auch immer darauf an, was für ein Spielertyp man ist. Ich hatte gar keine Probleme bei den Jungs, weil ich schon recht früh körperlich sehr weit war."
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In diesem Sommer wechselte die 1,74 Meter große Abwehrspielerin von der SGS Essen zum deutschen Serienmeister aus der Autostadt ist. Sie gilt als einer der besten Fußballerinnen in ihrem Alter – weltweit. Nun steht die WM-Teilnehmerin von 2019 nicht nur im Halbfinale der Champions League, sondern ist auch vom Deutschen Fußball Bund als beste Juniorenspielerin mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold ausgezeichnet worden. "Das freut mich sehr für Lena, sie hat diese Auszeichnung verdient", sagt André Meister.
Geld für die Nachwuchsförderung
Die TSG Sprockhövel profitiert auch finanziell von der Ehrung für ihre ehemalige Jugendspielerin. 20.000 Euro schüttet der DFB an die Ausbildungsvereine der Goldmedaillen-Gewinner aus. Ein Teil der Summe geht allerdings an Lena Oberdorfs ersten Verein TuS Ennepetal. "Wir werden das Geld wieder dort investieren, wofür wir es auch erhalten haben: in die Ausbildung unserer Jugendlichen und deren Trainer", verrät Sprockhövels André Meister.
Aktuell kicken 18 Teams in den blau-weißen Trikots des Mehrspartenvereins, der seinen insgesamt 3.000 Mitgliedern außer Fußball noch 18 weitere Sportarten anbieten kann. Frauen- und Mädchenfußball ist allerdings aktuell nicht dabei. "Bis vor drei Jahren hatten wir noch eine Frauen- und eine Mädchenmannschaft, aber leider scheiterte es immer zuletzt an der nötigen Zahl an Anmeldungen", berichtet André Meister. "Das würden wir gerne ändern, aber da wir wieder in der Kreisliga starten müssten, ist das für talentierte Spielerinnen vielleicht auch nicht attraktiv genug."
Eine Ausnahmekickerin Lena Oberdorf hat man wahrscheinlich nur einmal dabei. Aber: "In unseren jüngeren Jungsteams haben wir gerade wieder ein, zwei Mädels dabei, die auch schon ganz gut sind", bemerkt André Meister. Ob es bei ihnen irgendwann einmal für die Frauenfußball-Bundesliga, die deutsche Nationalelf oder die Champions League reicht, bleibt abzuwarten. Bis dahin können sie ja erst einmal vor dem Fernseher verfolgen, was Lena Oberdorf, die ehemalige Sprockhövelerin, auf dem Platz macht.
Autor/-in: Günter Schneider