Sie ist 62-fache Nationalspielerin, hat in ihrer Heimat Ungarn die Meisterschaft sowie den Pokal geholt und in der Champions League schon gegen den FC Bayern München gespielt. Im Alter von 32 Jahren steht Erika Szuh nun vor einer Premiere. Der Regionalligist Türkiyemspor Berlin hat zum ersten Mal den DFB-Pokal der Frauen erreicht.
In der ersten Runde geht es am heutigen Sonntag (14 Uhr) im Katzbachstadion gegen den Eimsbüttelner TV . Im Interview erklärt die Justizbeamtin, wie sie nach Deutschland gekommen ist und wie weit es mit Türkiyemspor Berlin im DFB-Pokal gehen soll.
FUSSBALL.DE: Frau Szuh, ist in Berlin auch das Frauenfußball-Fieber ausgebrochen?
Erika Szuh: Durch die EM in England ist das Interesse an Frauenfußball insgesamt deutlich größer geworden, das stimmt schon. Während des Turniers bin ich häufig auf der Arbeit angesprochen worden: 'Hast du das Spiel gesehen? Die sind aber gut!' Da haben sich plötzlich viele Menschen mit unserem Sport beschäftigt, die das vorher nicht auf dem Schirm hatten. Ich konnte mich selbst von der Atmosphäre in England überzeugen, denn ich war beim ersten deutschen Gruppenspiel in Brentford gegen Dänemark live dabei. Wir hatten am Weltfrauentag beim Women’s-Day-Turnier in Berlin Karten für die Partie gewonnen und waren mit ein paar Mädels vor Ort. Hier in Berlin hinkt man dem Trend aber leider noch etwas hinterher.
"Hier in Berlin hinkt man dem Trend aber leider noch etwas hinterher"
Wie meinen Sie das?
Szuh: Hier gibt es keinen Erst- oder Zweitligisten, sondern die klassenhöchsten Teams sind, wie wir, in der Regionalliga am Ball. Und der größte Verein in der Hauptstadt, Hertha BSC, hat keine Frauen- oder Mädchenfußball-Abteilung. Das müsste sich ändern, ist aber dort wohl in der Planung. Uns würde helfen, wenn sich durch die EM nachhaltig etwas im Frauenfußball tut, die Leute sollen bitte am Wochenende ins Stadion oder auf den Sportplatz gehen und gucken, wie wir spielen.
Zum Beispiel heute, wenn es im Pokal darum geht, die nächste Runde und damit vielleicht ein Duell gegen ein Bundesliga-Team zu erreichen.
Szuh: Ja, wir freuen uns total auf das Spiel, das ist für Türkiyemspor Berlin etwas Besonderes. Vor ein paar Jahren kannte uns noch kaum jemand, doch der Verein hat sich gut entwickelt. Wir haben eine Mischung aus jungen und erfahrenen Spielerinnen beisammen und sind bei Türkiyemspor wie eine kleine Familie. Gemeinsam sind wir stark und erfolgreich, wir wollen Werbung für den Frauenfußball machen und natürlich eine Runde weiterkommen. Von mir aus muss dann noch kein großer Name wie Wolfsburg oder Bayern kommen, mir wäre lieber, wir bekommen einen Gegner zugelost, den wir schlagen können. (lacht)
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Was hat Sie nach Berlin verschlagen?
Szuh: Ich bin nach dem Champions-League-Spiel meines früheren Vereins Viktoria FC-Szombathely gegen Bayern München von einem Vertreter des 1. FC Lokomotive Leipzig angesprochen worden. Das war vor zwölf Jahren. Wir sind gleich im ersten Jahr von der zweiten in die erste Liga aufgestiegen, aber 2013 wurde bei Lok die Frauenfußball-Abteilung aufgelöst. Ich bin nach Berlin gezogen und habe beim 1. FC Lübars gespielt, ehe ich für ein Jahr in die Schweiz zum FC Neunkirch gewechselt bin. Das war aber nur für ein Jahr, dann bin ich wieder nach Berlin zurückgegangen, habe noch einmal in Lübars und danach bei Blau-Weiß Hohen Neudorf gespielt. Seit 2018 bin ich nun bei Türkiyemspor.
Wie kamen Sie anfangs in Deutschland zurecht?
Szuh: Da ich kein Deutsch konnte, war die Verständigung natürlich nicht so einfach, da habe ich mich zunächst mit Englisch durchgeschlagen. Ich war auch nicht alleine, sondern zusammen mit meiner damaligen Mitspielerin Gabriella Tóth, mit der ich bei Lok Leipzig und in Lübars zusammengespielt habe. Gabriella war bis zuletzt bei Werder Bremen aktiv und hat jetzt aufgehört.
Wie würden Sie den Frauenfußball in Ungarn und Deutschland vergleichen?
Szuh: Da muss Ungarn noch viel aufholen! In der ersten Liga gibt es nur drei, vier Mannschaften, die gutes Niveau haben, vor allem Ferencváros Budapest. Dahinter kommt nicht viel, da ist Deutschland viel besser aufgestellt – und selbst Deutschland hat ja noch Aufholbedarf gegenüber England oder Spanien, wenn man allein die Zuschauerzahlen dort sieht.
Sie selbst sind auch Trainerin bei Türkiyemspor. Was können Sie Ihren Mitspielerinnen auf dem Platz mitgeben?
Szuh: Ich gehöre offiziell dem Trainerstab an, weil ich die B-Lizenz habe und somit unser Trainerteam um Safiye Kok, Amadou Konde und unseren Sportlichen Leiter Murat Dogan unterstütze. Ich bin aber in erster Linie Spielerin und möchte mit meiner Erfahrung meinen Mitspielerinnen auf dem Platz helfen – hoffentlich heute mit einem Sieg im DFB-Pokal.
Autor/-in: Günter Schneider