Die Frauen des FC Schalke 04 haben eine überragende Hinserie gespielt. Die Mannschaft von Trainer Stefan Colmsee ist nach 15 Begegnungen in der Westfalenliga noch unbesiegt - als Aufsteiger. Und trotzdem nicht Tabellenführer. Wie kann das denn sein? Und wer steht eigentlich ganz oben?
Shari Noffke ist angekommen. Die 32-Jährige trägt seit 2023 das Trikot ihres Herzensvereins. Des FC Schalke 04. Nicht nur als Fan. Sondern als Spielerin der Frauenmannschaft, die im Moment in der Westfalenliga unterwegs ist. Und das ziemlich erfolgreich. Nach 15 Begegnungen stehen zwölf Siege und drei Unentschieden in der Statistik. Keine Niederlage. Normalerweise ist das eindeutig die Bilanz eines Tabellenführers. Nicht so in dieser speziellen Spielklasse. Denn ganz oben thront mit einem Punkt mehr auf dem Konto der große Lokalrivale, der schwarz-gelb trägt: Borussia Dortmund.
"Aufstieg ist kein Muss"
Vieles spricht dafür, dass sich S04 und der BVB bis zum Schluss um den Platz an der Sonne streiten werden. Nur einer kann den Sprung in die Regionalliga schaffen. Werden es die Schalkerinnen sein? Oder doch die Dortmunderinnen? "Der Aufstieg ist ein Wunsch von uns Spielerinnen, auf den wir Woche für Woche hinarbeiten", sagt Noffke. "Natürlich würden wir uns darüber sehr freuen und haben auch die Ambitionen. Aber es ist kein Muss, und wir wollen uns damit auch keinen Druck machen. Für mich ist das logische Ziel im Fußball immer erst einmal, jedes Spiel gewinnen zu wollen. Daran werden wir in der Rückrunde anknüpfen und alles dafür geben."
Stefan Colmsee ist Trainer der Schalker Frauen. Er sieht es ähnlich: "Wir sind gerade erst aufgestiegen und sind sehr stolz auf die Leistungen, die die Mädels bisher erbracht haben. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Mit Dortmund, Iserlohn und uns sind meiner Ansicht nach drei Topteams in dieser Spielklasse dabei, die alle das Zeug haben, den Aufstieg zu schaffen und dann auch in der Regionalliga eine gute Rolle spielen zu können."
Kapitänin Noffke ist stolz darauf, das blau-weiße Trikot zu tragen und die Mannschaft auf das Feld führen zu dürfen. "Ich bin sehr dankbar für das Vertrauen, das mir damit geschenkt wird. Natürlich erhöht es auch den Druck auf mich selbst, weil das Kapitänsamt eine große Verantwortung mit sich bringt. Ich nehme das gerne in Kauf und erhalte auch tolle Unterstützung aus der Mannschaft."
"Schon als Kind oft mit Papa im Stadion"
Noffke ist mit Schalke groß geworden. Die Liebe zu diesem Verein ist ihr vererbt worden. "Ich bin schon als kleines Kind oft mit meinem Papa ins Stadion gegangen und habe Schalke in die Wiege gelegt bekommen", erzählt die Abwehrspielerin. "Mich hat die Stimmung in der Arena damals schon umgehauen und es schweißt die Leute zusammen, wenn sie gemeinsam für etwas einstehen. Das mag ich sehr. Ich schaue mir auch heute noch regelmäßig die Spiele an und fiebere ordentlich mit. Wann immer es mir möglich ist, natürlich gerne in der Kurve."
Noffke verbindet mit Schalke Werte, für die der Verein seit Jahrzehnten einsteht: "Zusammenhalt, Kampfgeist, Durchhaltevermögen, Emotionen und eiserner Wille - egal, wie es läuft. Seitdem ich selbst für den S04 spielen darf, kamen zusätzlich die Aspekte Freundschaft, Leidenschaft und harte Arbeit hinzu."
"Würde ich nicht selbst für Königsblau spielen, wäre ich sicherlich auch besonders motiviert und würde noch mal ein paar Prozent mehr geben"
Genauso wie der BVB hat auch Schalke 04 in dieser Spielklasse eine enorme Strahlkraft - vor allem bei den Konkurrenten. Meist gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man liebt Blau-Weiß oder das Gegenteil ist der Fall. "Ich habe schon das Gefühl, dass einige unserer Gegnerinnen besonders motiviert sind", sagt Noffke. "Vor allem dann, wenn wir das erste Mal aufeinandertreffen. Oft sind auch Schalke-Fans unter den gegnerischen Spielerinnen."
Noffke weiter: "Es ist für sie dann etwas Besonderes, gegen Schalke zu spielen, schon wegen des Namens, der auf dem Trikot steht. Ich kann das absolut nachempfinden. Würde ich nicht selbst für Königsblau spielen, wäre ich sicherlich auch besonders motiviert und würde vielleicht noch mal ein paar Prozent mehr geben in den Zweikämpfen als vielleicht bei anderen Spielen. Aktuell sind wir ungeschlagen in der Westfalenliga. Ich glaube, dass vielleicht auch das den Gegner noch einmal besonders motiviert - die Mannschaft zu sein, die es schafft, uns zu schlagen."
Noffke spielt Fußball, seitdem sie fünf Jahre alt ist. "Anfangs habe ich parallel zum Fußball Ballett getanzt und bin geritten. Ich habe schnell gemerkt, dass ich nicht unbedingt das beste Takt- und Feingefühl habe, damit waren die anderen zwei Hobbies also schnell raus", sagt Noffke und muss lachen. "An Fußball liebe ich, dass man gemeinsam im Team für etwas kämpft, zusammen gewinnt und zusammen verliert. Man spielt nicht nur für sich, sondern auch für alle anderen im Team. Darüber hinaus kann ich auf dem Platz ziemlich gut abschalten, den Alltag vergessen und mich nur auf den Fußball fokussieren. Das tut gut und gibt mir persönlich viel. Außerdem mag ich es, dass ich nicht nur körperlich sehr gefordert werde, sondern auch mental. Fußball vereint einfach viele Aspekte und bietet die Möglichkeit, sich auf der einen Seite vollständig auszulasten und auf der anderen Seite die eigenen Akkus auch wieder aufzuladen."
BVB oder S04?
Trainer Colmsee ist seit 2020 auf Schalke und hat die Frauenmannschaft Schritt für Schritt entwickelt. Nach dem Start in der Kreisliga ist das Team inzwischen in der Westfalenliga angekommen. Dort muss aber noch lange nicht Schluss sein. "Wir schauen nicht zu weit nach vorne. Wir wollen erfolgreich sein und guten Fußball spielen. Wenn uns das gelingt, wird alles andere auch kommen", sagt Colmsee. Das Wort "Aufstieg" vermeidet der 42-Jährige so gut es geht.
Vieles spricht dafür, dass die Entscheidung über eben jenen Aufstieg im direkten Duell mit dem BVB fällt. Oder vielleicht doch nicht? "Das wird nur der Fall sein, wenn wir vorher unsere Hausaufgaben erledigen. Und die Dortmunderinnen ebenfalls“, betont Colmsee. "Wir haben in der Hinrunde gegen zwei Teams Unentschieden gespielt, wo wir auch hätten gewinnen können. Diese Punkte fehlen uns jetzt. Hinzu kommt die Punkteteilung gegen Dortmund, die aber auch rückblickend völlig in Ordnung geht."
Es bleibt also spannend. Beide wollen gerne hoch. Borussia Dortmund genauso wie der FC Schalke 04. Weiter geht es für den FC Schalke 04 an diesem Sonntag, 2. März, beim SVKT 07 Minden. Es ist eine besondere Konstellation in der Westfalenliga der Frauen. Wer wird es am Ende schaffen? Können die Schalkerinnen die gesamte Saison unbesiegt bleiben? Es gibt viele Fragen, die es dann zu beantworten gilt.
Autor/-in: Martin Schwartz