Bei Naima Gherbali und ihren beiden Söhnen Habib und Saif Fekih dreht sich alles um die Schiedsrichterei. Seit knapp acht Jahren sind die drei als eingeschworenes Familienteam auf den Sportplätzen der Oberpfalz unterwegs, wo sie die Spiele gemeinsam als Schiedsrichtergespann leiten. Als sich Naima Gherbali im Jahr 2007 spontan entscheidet, den Schiedsrichterschein zu machen, überträgt sich die Begeisterung für ihr neues Hobby sofort auf ihre beiden Söhne. Nachdem die beiden 2013 ebenfalls den Schiedsrichterlehrgang abschließen, versucht die Familie – wann immer es möglich ist – als Familiengespann zu Spielen zu fahren.
Während Mama Naima für den TV Oberndorf in der Kreisliga pfeift, ist ihr 23-jähriger Sohn Habib neben seinem BWL-Studium in der Bezirksliga aktiv. Bruder Saif hängt für die Schiedsrichterei sogar seine Fußballkarriere beim SSV Jahn Regensburg an den Nagel. Mittlerweile pfeift der 21-Jährige in der Landesliga und ist zusätzlich Schiedsrichterassistent in der Jugendbundesliga. Im FUSSBALL.DE- Interview erzählt Saif gemeinsam mit seiner Mutter Naima von den Spielen zu Dritt, ungläubigen Blicken der Zuschauer, Diskussionen auf dem Heimweg und Mamas roter Karte an seinen besten Freund.
FUSSBALL.DE: Frau Gherbali, wie kam es dazu, dass sie Schiedsrichterin geworden sind?
Naima Gherbali : Meine Anfänge als Schiedsrichterin entstanden aus der Not heraus. Ich war immer bei den Fußballspielen meiner beiden Söhne dabei. Da war es oft so, dass die Kinder spielen wollten, aber niemanden hatten, der pfeift. Also bin ich spontan eingesprungen und das ging dann eine Weile so. Ich muss aber dazu sagen, dass ich schon Ahnung vom Pfeifen hatte, weil mein Vater auch Schiedsrichter war.
"Die Leute wissen genau: Wenn wir als Gespann ankommen, dürfen sie keinen von uns dreien anmeckern"
Das heißt, die Leidenschaft fürs Pfeifen liegt bei Ihnen in der Familie?
Gherbali: Genau. Ich komme aus einer großen, fußballbegeisterten Familie, in der alle Sportler sind. Mein Bruder, meine Schwester, mein Vater – alle sind beim Fußball. Schon als Kleinkind hat mich mein Bruder zu jedem Spiel mitgenommen, so habe ich schon früh meine Leidenschaft dafür entdeckt und das ist bis heute so geblieben. Fußball ist für uns alles, es liegt bei meiner Familie im Blut.
Am Anfang haben Sie aus der Not heraus gepfiffen. Wie ging es dann weiter?
Gherbali: Von Spiel zu Spiel hatte ich mehr Spaß am Pfeifen und irgendwann haben mir andere Eltern nach dem Spiel vom Schiedsrichterlehrgang erzählt. Dort habe ich mich dann zum nächstmöglichen Zeitpunkt angemeldet und die Prüfungen absolviert.
Wie war die erste Zeit als Schiedsrichterin? Was haben Sie für Erfahrungen gemacht?
Gherbali: Ich war die erste Schiedsrichterin in Regensburg! Vor allem auf den Dörfern waren die Menschen überrascht und haben doof geschaut, als eine Frau mit Pfeife aufs Spielfeld kam. Aber ich habe mir einen Namen gemacht. Wenn ich jetzt zu Spielen fahre, werde ich als Schiedsrichterin respektiert. Es kommt auch oft vor, dass mich Leute auf der Straße mit "Frau Schiedsrichterin" grüßen und das freut mich. (lacht)
Saif Fekih: Mein Bruder und ich waren zu Beginn immer bei den Spielen meiner Mutter dabei. Da haben die Leute sich schon gefragt, was jetzt los ist, als sie den Platz betreten hat. Letzten Endes muss man sich als Frau mehr beweisen, als es ein Mann tun muss. Das hat sie mit der Zeit geschafft. Sie hat es sich hart erkämpft und die Leute haben akzeptiert, dass sie pfeifen kann und dafür bekommt sie Respekt.
Gherbali: Die Leute sind vor dem Spiel überrascht, aber nach dem Spiel kommen sie zu mir und loben mich. Sie sagen sowas wie "perfekt gepfiffen und Respekt". Das ist immer schön zu hören.
Herr Fekih, Sie sagen, Sie sind oft bei den Spielen Ihrer Mutter dabei. Folgen nach dem Abpfiff dann die heißen Diskussionen über ihre Leistung auf dem Platz?
Gherbali: Jaja, es gibt auch Kritik. (lacht)
Fekih: Ich würde sagen, wir coachen uns gegenseitig und können noch viel von ihr lernen. Das Schiedsrichterwesen ist ziemlich komplex. Genau wie Fußballer Fehlpässe spielen, machen auch wir hin und wieder nicht den cleversten Pfiff und dadurch gibt es immer Gesprächsstoff.
Haben Sie ihretwegen den Schiri-Schein gemacht?
Fekih: Ja, absolut. Dass ich selbst Schiedsrichter geworden bin, kam absolut durch meine Mutter. Ich wäre von mir aus nie auf die Idee gekommen, das Pfeifen anzufangen. Meine Mutter hat uns immer erzählt, wie toll es ist und dass wir es auch versuchen sollen. Dann haben mein Bruder und ich auch angefangen. Allerdings war das am Anfang ein ziemlich großer Spagat zwischen Pfeifen und selbst spielen. Als ich meine ersten Spiele in der U 13 gepfiffen habe, habe ich noch in der Jugend-Bayernliga gespielt und das war zeitlich schwierig. Mit der Zeit habe ich dann das größere Interesse am Schiedsrichterwesen gefunden. Wir waren dann auch als Team unterwegs und das war einfach cool.
Was sagen die Leute, wenn Sie als Trio zum Spiel angefahren kommen und dann gemeinsam als Gespann den Platz betretet?
Fekih: Es ist schon lustig, wie die Leute schauen. Die wissen genau: Wenn wir als Gespann ankommen, dürfen sie keinen von uns dreien anmeckern. (lacht)
Gherbali: Neulich haben wir auch zu dritt bei einem Spiel hier in der Nähe zugeschaut. Da sind die Leute zu uns gekommen und haben gefragt, warum wir nur an der Seitenlinie stehen und zuschauen, statt zu pfeifen. Sie haben gesagt "Warum steht ihr hier? Ihr seid doch bereit, dann könnt ihr doch auch pfeifen". Das war wirklich lustig. (lacht)
Scheint, als finden es die Leute toll, wenn Sie als Familiengespann pfeifen.
Fekih: Schon, aber es geht natürlich trotzdem noch darum, Leistung abzuliefern. Vor dem Spiel ist immer alles schön, im Spiel muss es aber auch funktionieren. Würden wir richtig schlecht pfeifen, würden sich die Leute sicherlich weniger freuen uns zu sehen. (lacht)
Würden Sie sagen, für das Spiel ist es ein Vorteil, dass Sie sich so gut kennen?
Fekih: Definitiv. Wir sind ein eingeschweißtes Team, helfen einander, aber kritisieren uns auch und das macht uns gut und beliebt. Wir haben eine super Kommunikation und vertrauen uns blind. Das ist sehr wichtig als Schiedsrichter. Deswegen waren unsere erfolgreichsten Spiele auch die, bei denen wir als Trio vor Ort waren.
Und bei den Spielen ist dann immer Mama der Boss und Ihre beiden Kinder agieren als Assistenten an den Seitenlinien?
Fekih: Früher war das so, heute ist der Schwerpunkt etwas anders.
Gherbali: Die Mutter wird ein bisschen älter, deshalb müssen die Jungs jetzt mehr rennen. (lacht)
Fekih: Ja, also ich pfeife jetzt in der Landesliga und wenn es möglich ist, nehme ich meine Mutter und meinen Bruder als Team immer mit.
Das hört sich ja ganz harmonisch an. Ist das auch noch so, wenn einer von Ihnen eine in den anderen Augen "falsche" Entscheidung trifft? Ist es nicht umso schwerer mit seiner Mutter/ den Kindern darüber zu diskutieren und man streitet sich viel schneller?
Gherbali: Dass einer Mist baut ist bisher noch nicht passiert. Gott sei Dank. (lacht)
Fekih: Ich kann mich auch nicht daran erinnern. Wir gehen als Familienteam zum Spiel und wir lösen auch alles als Familienteam – ganz gleich was passiert ist.
Frau Gherbali, Sie pfeifen ja öfters auch ohne ihre Söhne. Dann stehen Sie zum Beispiel als Schiedsrichterin vor den Kumpels ihrer Söhne. Wie funktioniert das?
Fekih: Ach, meine Mama kennt da nichts. Die hat letztens erst meinem besten Freund eine Gelb-Rote Karte gegeben. (lacht)
Gherbali: Aber das war zurecht! Er hat danach auch bei meinen Kindern angerufen und gesagt: "Eure Mutter hat mir eine Gelb-Rote gegeben, aber es war zurecht". (lacht)
Fekih: Mein Kumpel hat danach im Scherz zu mir gesagt "Shit Saif, da hätte ich doch was überweisen müssen, damit es keinen Platzverweis gibt". Die Karte war für ihn natürlich weniger lustig als für mich, aber so ist das eben. Wir sind auf jeden Fall immer noch befreundet. (lacht)
Und wie war es für Sie, ihm den Platzverweis auszusprechen?
Gherbali: Ich mache da keinen Unterschied, ob es ein Freund ist oder nicht. Fußball ist ein großes Hobby für mich, aber es geht eben auch um die Punkte und Regel ist Regel. Nach dem Spiel sind wir wieder Kumpels aber auf dem Platz beeinflusst das meine Entscheidungen nicht.
Und im alltäglichen Leben? Dreht sich bei Ihnen zuhause auch von morgens bis abends alles um den Ball?
Gherbali: Fußball ist schon ein großer Bestandteil unseres Lebens.
Fekih: Ja, aber es ist natürlich nicht das einzige, worüber wir reden. Es macht viel aus. Vor allem jetzt, nach dem Start der neuen Saison. Da ist wieder jeder von uns im Einsatz und es dreht sich viel um Fußball. Aber es gibt natürlich auch Wichtigeres im Leben und so soll es auch sein.
Autor/-in: Fabienne Kraus