Lange Zeit blieb die traditionsreiche Geschichte des Sheffield Football Club im Verborgenen. Der älteste Fußballverein der Welt erregte in den Niederungen des englischen Amateurfußballs kaum Aufmerksamkeit. Das soll sich ändern. Während einer Deutschlandreise warb der SFC nun für sein Crowdfunding-Projekt "Home of Football".
Woran denken wir, wenn wir an die historischen Momente des Fußballs denken? An die erste Weltmeisterschaft 1930 in Uruguay? An das erste Spiel einer deutschen Nationalmannschaft 1908 gegen die Schweiz? An die Gründung des DFB 1900 in Leipzig? Oder gehen wir gar bis ins Jahr 1863 zurück, als die englische FA in einem Londoner Pub als erster Fußballverband der Welt ins Leben gerufen wurde?
Wichtige Eckdaten, die Pioniere des Fußballs kamen jedoch schon sechs Jahre früher zusammen. In Sheffield gründeten der Rechtsanwalt und Firmendirektor Nathaniel Creswick und der Weinhändler William Prest am 24. Oktober 1857 den laut FIFA ersten Fußballklub der Welt – den Sheffield Football Club. Gegner gab es zunächst keine, sodass die Pioniere gegeneinander antreten mussten. Singles gegen Verheiratete – diese Einteilung soll in der Anfangszeit des Klubs sehr beliebt gewesen sein.
"Ich kann mich an ein Spiel erinnern, in dem wir fast mehr Zuschauer aus Österreich hatten als aus Sheffield"
BVB und Inter zu Gast
In den darauffolgenden Jahren wurden in Sheffield schließlich die ersten Fußballregeln niedergeschrieben, die die Trennung von Rugby und Fußball einleiteten und Einzug in das Regelwerk der FA fanden. Als der Fußball noch in den Kinderschuhen steckte, kam es nicht selten zu kuriosen Begegnungen. Als der SFC beispielsweise nach London reiste, um gegen eine Stadtauswahl anzutreten, sollen sich die Hauptstädter unheimlich über die Kopfbälle des Sheffielder Teams amüsiert haben. Eine Technik, die in London zu dieser Zeit noch nicht eingesetzt wurde.
Es sind diese Anekdoten aus einer längst vergangenen Zeit, die die fußballhistorische Bedeutung des SFC ins Bewusstsein rufen. Eine Bedeutung, die weltweit vielen Fußballfans lange Zeit völlig unbekannt war. Das änderte sich erst, als der Verein aktiv die Öffentlichkeit suchte. 2007 gastierte etwa Inter Mailand anlässlich des 150. Geburtstages in Sheffield. Sechs Jahre später reisten Jürgen Klopp und Borussia Dortmund zur Geburtsstadt des Fußballs.
Amateurgedanke vs. Premier-League-Wahnsinn
Die Strategie der Klubführung fasst der Vorsitzende Richard Tims zusammen: "Jeder soll weiterhin seinen Klub unterstützen, aber wir wollen der zweitliebste Verein jedes Fußballfans werden." Mit Erfolg. Immer mehr Fußballliebhaber aus der ganzen Welt besuchen die SFC-Spiele in der Northern Premier League Division One South, der siebten englischen Liga. "Ich kann mich an ein Spiel erinnern, in dem wir fast mehr Zuschauer aus Österreich hatten als aus Sheffield", freut sich Tims, dessen Verein durchschnittlich 300 Zuschauer zu seinen Heimspielen begrüßt.
Ambitionen, in den höherklassigen Fußball aufzusteigen, sucht man vergeblich. Schon in der Anfangsphase des SFC, als sich in England die ersten professionellen Mannschaften gründeten, weigerten sich die Pioniere, den Amateurgedanken aufzugeben. Umso mehr betont Tims diese Philosophie in der heutigen Zeit, in der die Transfersummen und Gehälter, besonders in der Premier League, jedes vernünftige Maß verloren zu haben scheinen.
"Wir können innerhalb des Fußballs eine Bewegung verkörpern, die Wert darauf legt, dass es um mehr als nur Geld geht", beschreibt Tims die Rolle des SFC, die der Verein in seiner "Mission" niedergeschrieben hat. Dazu zählt auch der Wiederaufbau des ursprünglichen "Home of Football" am Oliver-Grove-Platz. An dem Platz, wo der Sheffield FC 1857 gegründet wurde, soll ein kleines Stadion entstehen, das gleichzeitig das "Fußball-Mekka" der internationalen Fußballfans werden soll. Mithilfe eines Crowdfunding-Projekts möchte der Klub dieses Vorhaben finanzieren.
"Noch weitere 150 Jahre"
Auch um diese Aktion zu bewerben, begab sich der Traditionsverein am 18. Juli auf Deutschlandreise. Am Samstag besiegte das Team den deutschen Siebtligisten TuS Haltern , den Heimatverein von FUSSBALL.DE -Blogger Christoph Metzelder und Weltmeister Benedikt Höwedes. Am Sonntag trennte sich Sheffield gegen eine Essener Stadtauswahl torlos. Nach einem kurzen Besuch der DFB-Zentrale in Frankfurt am Montag wartet am Dienstag (20.30 Uhr) das Abschlussspiel gegen ein Allstar-Team von Borussia Dortmund, in dem unter anderem Lars Ricken auflaufen wird.
Mit diesen Eindrücken geht es für den SFC am Mittwoch wieder zurück nach England, wo der Siebtligist am 15. August in die Saison startet. Der Gegner am ersten Spieltag wird Carlton Town sein. "Wenn wir am Wochenende den Rasen betreten, möchten wir natürlich gewinnen. Eine Platzierung unter den Top fünf erscheint mir realistisch", beschreibt Tims die Saisonziele. Viel wichtiger ist dem Präsidenten ohnehin die Wahrung des großen fußballerischen Erbes: "Das sollte unser Trainer jetzt nicht hören, aber es spielt für mich keine große Rolle, ob wir eine Liga höher oder tiefer spielen. Meine Aufgabe besteht darin, dass es den ältesten Verein der Welt noch weitere 150 Jahre geben wird."