Fußball-Weisheit #87: "Unsere Gegner leiden unter Messi. Aber sie haben auch ihren Spaß an ihm. Sie respektieren ihn als den Spieler, der er ist. Wir alle haben Glück, in der Zeit zu leben, in der Messi spielt." (Barca-Coach Ernesto Valverde)
Da klimpert’s kräftig im Phrasenschwein. Jeder halbwegs Fußball-Interessierte wird in der vergangenen Woche wohl kaum um den Treffer von Lionel Messi gegen Betis Sevilla gekommen sein. Der Argentinier lupfte den Ball ansatzlos mit dem ersten Kontakt aus 15 Metern butterweich an die Unterkante die Latte. Der verdutzte Betis-Keeper Pau Lopez stand zwar nur einen Meter vor seiner Linie, blieb aber ohne den Hauch einer Chance. Ein Tor wie ein Gemälde. Es war einer dieser Treffer, den man gern zum Candle-Light-Dinner einladen würde. Man würde ihm den ganzen Abend aufmerksam zuhören, selbstverständlich die Rechnung bezahlen, ihn nach Hause bringen und ihm an der Tür seine aufrichtige Liebe gestehen. Selbst die gegnerischen Fans im Betis-Stadion huldigten dem 31 Jahre alten Ausnahmekönner, wie er es sonst nur im heimischen Camp Nou erfährt. Messi gehört zweifellos zu den größten Spielern, die jemals gegen einen Ball getreten haben. Ein einzigartiger Kicker – zumindest nach heutigem Stand. Der spanische Gen-Wissenschaftler Arcadi Navarro sorgt derzeit nämlich für Schlagzeilen, indem er behauptet: "Mit der heutigen Technik kann ich eine exakte Messi-Kopie anfertigen." Der Messi-Klon soll theoretische dasselbe Potenzial wie das Original besitzen. "Er würde wie sein Zwilling aussehen: Als ob Zwillinge geboren worden wären und wir einen von beiden für 20 oder 30 Jahre eingefroren hätten", erklärt Navarro. Der Haken: Messi sei nicht nur wegen seiner Gene so wie er ist, sondern auch aufgrund seiner Erlebnisse – dazu gehört seine Ausbildung, sein Training in der Barca-Jugend und die Behandlung mit Wachstumshormonen.
Von zweifelhaften Gen-Experimenten würde ich ohnehin abraten, vor allem bei dem Wunsch nach einem Messi-Klon. In den deutschen Amateurligen laufen schließlich unzählige Superstar-Kopien aus dem Weltfußball herum. Möchtegern-Messis und -Ronaldos tummeln sich auf diesem Niveau zuhauf – stets bemüht, ihren Idolen in möglichst vielen Lebensbereichen nachzueifern.
Style: Viele der internationalen Top-Stars pflegen einen extravaganten Kleidungsstil. Die Klamotten kommen stets vom Edel-Designer und brechen gern mal mit dem, was normalsterbliche Menschen sonst so tragen, wenn sie nicht gerade auf einem Faschingsumzug oder einer Motto-Party unterwegs sind. Unseren Kreisliga-Nachahmer fehlt zumeist das nötige Kleingeld, um auch nur einen Schritt in die Edel-Boutiquen der Großstädte machen zu dürfen. Doch die Not macht erfinderisch: In akribischer Recherche-Arbeit werden Kataloge – von "H&M" über "C&A" bis "KiK" – gewälzt, um nach ähnlichen Low-Budget-Alternativen zu suchen. Mit Schere und Schleifpapier lässt sich auch auf der Billig-Jeans im Handumdrehen ein stylischer "Used-Look" nachahmen. Wer ein echter Kreisliga-Messi ist, lässt sich seine Verbundenheit darüber hinaus noch unter die Haut stechen. Die Tattoos der Stars können auch beim Tätowierer um die Ecke als Vorlage eingereicht werden: "Einmal wie beim Leo, bitte!" Wichtig: Zuvor unbedingt die Bedeutung der Messi-Motive googlen, um anderen erklären zu können, warum man ein Porträt seiner Mutter auf der linken Schulter trägt.
Tricks: Als echter Kreisliga-Messi sollte man zumindest einige seiner Tricks beherrschen. Bei der unnachahmlichen Ballkontrolle des Argentiniers ist dieses Vorhaben ambitioniert, aber Übung macht den Meister. Tagelang werden im heimischen Garten die Youtube-Tutorials studiert. Nebenbei läuft durchgehend eine Kamera, denn: Sollte nach Tagen auch nur einmal ein Trick ansatzweise gelingen, muss dieser Meilenstein sofort auf Instagram geteilt werden (#kickitlikemessi). Sollte eine indische Messi-Fanpage dieses Video liken, käme dies einem Ritterschlag gleich. Messi probiert seine Tricks übrigens gern beim Ballspielen mit seiner riesigen Bordeaux-Dogge "Hulk" aus. Wenn ihr also seht, wie Holger Meier aus der Kreisliga C von seinem Grauhaardackel "Waldi" über den Hundespielplatz gejagt wird, wisst ihr, dass ein neuer Stern am Amateurfußball-Himmel aufzugehen scheint.
Torjubel: Im Vergleich zu den Ronaldos, Pogbas oder Neymars dieser Welt jubelt Leo Messi fast schon wie ein braver Schuljunge. Besondere Choreografien, die aus den Musikvideos irgendwelcher Samba-Charthits oder irgendwelchen Computerspielen kopiert werden, nutzt der 31-Jährige kaum. Unvergessen bleibt allerdings sein Boss-Move in der Real-Spielstätte Santiago Bernabéu, als er sich nach seinem Last-Minute-Siegreffer das Trikot vom Leib riss und es der Tribüne entgegenstreckte. Nachahmern sollte allerdings bewusst sein: Vor 50 Leuten auf dem Sportplatz in Königs Wusterhausen wirkt dieser Jubel eher unfreiwillig komisch.
Fotos: Leo Messi ist natürlich auch in den sozialen Medien aktiv. Hier gibt es Eindrücke aus dem Training und von Sponsor-Shootings, aber auch einige Einblicke in das Privatleben. Für die Möchtegern-Messis bieten sein Instagram- und Facebook-Profil zahlreiche Möglichkeiten, um sich ähnlich in Pose zu werfen. Eines seiner berühmtesten Bilder ist sicherlich das "G.O.A.T."-Shooting, bei dem sich Messi mit einer Ziege (englisch "goat", genauso wie die Anfangsbuchstaben von "Greatest Of All Time") hat ablichten lassen. Die Fotos riefen zahlreiche Trittbrettfahrer auf den Plan. In den Tagen nach der Veröffentlichung soll auch in den deutschen Streichelzoos ein erhöhtes Aufkommen von Besuchern registriert worden sein, die sich mit Trockenfutter ausgerüstet im Barcelona-Trikot ins Ziegengehege gestürzt haben, um mit den Tieren ausgiebig zu posieren.
Vom richtigen Fußballschuh-Modell bis zum von ihm beworbenen Soft-Drink gibt es noch viele weitere Bereiche, in dem einem Welt-Star wie Messi nachgeeifert werden kann. Die Wahrheit liegt aber – wie so oft – auf dem Platz. Es können noch so viele Dribblings und Traumpässe von ihm im heimischen Garten kopiert worden sein: Sobald ein Gegenspieler vor einem steht, und sei es nur ein in die Jahre gekommener und hüftsteifer Kreisliga-Verteidiger, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Der erste Schritt beim Übersteiger mag vielleicht noch ansatzweise sauber angesetzt sein, aber spätestens beim zweiten haben sich die eigenen Beine verknotet. Am Ende hat man nicht den Gegner spektakulär auf den Hosenboden gesetzt, sondern sich selber. Und selbst wenn der Trick tatsächlich klappen sollte, muss man gehörig aufpassen, dass der Abwehrmann solche Möchtegern-Tricksereien nicht mit einer kernigen Grätsche beantwortet. Zwischen Messi-Klon und Messi-Clown liegt dann doch weit mehr als ein paar Kabinettstückchen oder ein Selfie mit einer schwer genervten Ziege im Streichelzoo.