Die großen Klubs der Regionalliga - auch Viktoria Aschaffenburg gehört dazu. Felix Magath und der 417-malige Bundesligaspieler Rudi Bommer waren hier zu Hause. 1987 stand der Klub im DFB-Pokal-Viertelfinale. Heute ist der frühere Zweitligist froh, wieder zurück in der 4. Liga zu sein.
Nicht einmal sechs Jahre ist es her, da kickte der SV Viktoria Aschaffenburg noch in der sechstklassigen Verbandsliga Hessen. Der 1901 gegründete Klub war finanziell so stark gebeutelt, dass ein Insolvenzverfahren eingeleitet werden musste. Die wirtschaftliche und sportliche Zukunft standen auf Messers Schneide. Einige Jahre und einen Verbandswechsel später hat sich die Lage beim früheren Klub von Felix Magath stabilisiert.
Auf dem Weg zu sportlicher Konstanz und finanzieller Sicherheit war der Wiederaufstieg in die Regionalliga Bayern in diesem Sommer ein großer Schritt in die richtige Richtung. Mit 79 Punkten aus 34 Spielen wurde die Viktoria souverän Meister der Bayernliga Nord und ließ den zweiten Aufsteiger FC Amberg sechs Zähler hinter sich. Grund genug also für die Mannschaft von Trainer und Ex-Profi Slobodan Komljenovic, am Donnerstag um 19 Uhr mit reichlich Selbstvertrauen in das offizielle Eröffnungsspiel beim Drittliga-Absteiger SSV Jahn Regensburg zu gehen. Die einstige „Macht vom Schönbusch“ meldet sich zurück.
Drei Nationalspieler im Kader
"Die zwei Pappenheimer werden es schon richten"
Die besten Jahre der Aschaffenburger liegen lange zurück. In der Nachkriegszeit spielte die Viktoria zehn Jahre lang in der höchsten deutschen Spielklasse (Oberliga Süd). Vor bis zu 18.000 Zuschauern traten die Unterfranken in den 50er Jahren gegen Mannschaften wie den FC Bayern München an und den VfB Stuttgart an. Auch die heutigen Zweitligisten 1. FC Nürnberg und der TSV 1860 München waren in Aschaffenburg zu Gast.
Der „Schönbusch“ wurde vor allem in der Saison 1951/52 berühmt. Kein einziges Heimspiel verlor die Viktoria in dieser Spielzeit. Die erfolgreichste Saison sollte aber noch folgen: 1955/56 erreichte Aschaffenburg nicht nur Tabellenplatz fünf. Ein Schnitt von 8000 Zuschauern pro Begegnung zeigte auch die große Begeisterung für den Fußball, die in der Region zu dieser Zeit herrschte.
Mit Heinz Budion, Hubert Staab und Ernst Lehner standen drei deutsche Nationalspieler im Aschaffenburger Kader. Besonders bemerkenswert: Staab ging für die Viktoria auf Torejagd, obwohl er durch eine schwere Kriegsverletzung nur noch einen Lungenflügel besaß.
Die Saison 1959/60 sollte die bis heute letzte bleiben, in der die Viktoria in der höchsten deutschen Spielklasse am Ball war. Mit dem Abstieg aus der Oberliga Süd begann eine Durststrecke, in der die Aschaffenburger zwischen Liga zwei und vier hin und her pendelten. Erst in den 80er Jahren kehrte der Erfolg zurück. Mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga schaffte Aschaffenburg 1985 den Sprung in den Profifußball.
Bommer: Erst Bronze bei Olympia, dann Abstieg mit der Viktoria
Nach zwei Jahren stieg die Viktoria ab. Es gelang noch einmal der direkte Wiederaufstieg. Die nächste Saison ließ sich ordentlich an, nach der Hinrunde lag Aschaffenburg auf Platz zehn. Dann folgte der Absturz. Warum, erklärt der ehemalige deutsche Nationalspieler und damalige Spielgestalter der Viktoria, Rudi Bommer, im Gespräch mit FUSSBALL.DE.
Bommer, der zuvor bei den Bundesligisten Fortuna Düsseldorf und Eintracht Frankfurt unter Vertrag gestanden und mit der Fortuna zweimal den DFB-Pokal gewonnen hatte (1979 und 1980), sieht nicht zuletzt seinen persönlichen Leistungsabfall als einen der Gründe für die sportliche Talfahrt in der Rückrunde. „Die Mannschaft war von mir als Spielgestalter abhängig. Ich war im Herbst allerdings sechs Wochen lang bei den Olympischen Spielen in Seoul im Einsatz, wo wir mit der Nationalmannschaft die Bronzemedaille gewannen. Dort kam ich nur fünf Minuten zum Einsatz. In einer sehr schlechten Verfassung kehrte ich nach Aschaffenburg zurück und konnte nicht ansatzweise an meine normalen Leistungen anknüpfen“, erinnert sich der heute 57-jährige (417 Bundesligaspiele). Bommer war nicht nur von 1988 bis 1992 für die Viktoria am Ball, sondern hatte bereits in der Jugend in seinem Geburtsort gekickt und war später auch als Trainer bei seinem Heimatverein tätig (1998 bis 2000).
Der heute wieder in Aschaffenburg wohnende Bommer betont, dass auch das gesamte Auftreten der Viktoria nicht mehr mit dem aus der Hinrunde zu vergleichen gewesen sei. „Die Mannschaft ist eingebrochen. Wie es bei Aufsteigern häufig so ist, wird die erste Saison nach dem Aufstieg von Spiel zu Spiel schwieriger. Am aktuellen Beispiel des SC Paderborn in der Bundesliga sieht man, wie schnell ein Verein nach einem guten Start nach unten durchgereicht werden kann. So war es auch bei uns“, erzählt er.
Bommer trainierte zuletzt den FC Energie Cottbus, im September 2013 war Schluss. Seitdem hatte er aus gesundheitlichen Gründen (Tumor hinter dem rechten Ohr) eine Pause eingelegt. „Jetzt geht es mir aber zum Glück besser. Ich möchte bald wieder ins Trainergeschäft einsteigen“, so Bommer.
Seit 1989 kein Profifußball mehr
Viktoria Aschaffenburg gelang nach dem Abstieg 1989 nie mehr die Rückkehr in den Profifußball. Der DFB-Pokal-Viertelfinalist von 1987 spielte noch einige Jahre drittklassig, bis der Fall in die Oberliga und zwischenzeitlich sogar in die 5. Liga (Landesliga Hessen Süd) folgte. Die Konsequenz: Schon in den 90ern hatte der Verein massive finanzielle Probleme, stand kurz vor der Insolvenz und lockte in den unteren Ligen nur noch wenige Zuschauer ins Stadion.
Die schlechte wirtschaftliche Situation macht sich bis heute bemerkbar. Auch wenn die aktuelle Entwicklung nach oben zeigt, ist die Viktoria finanziell weiterhin nicht in der Lage, große Investitionen zu stemmen. „Der Standort ist für Sponsoren wenig lukrativ. Es wird wenig in den Klub investiert“, meint Bommer: „Seit Peter Löhr Vizepräsident bei der Viktoria ist, stellt sich der Verein aber immer professioneller auf. Ich hoffe, dass sich in naher Zukunft einige Partner für den Klub finden.“
Mit Komljenovic und Löhr sieht er den Klub auf wichtigen Positionen gut aufgestellt. „Mit Slobodan habe ich in Düsseldorf zusammengespielt, mit Peter in Aschaffenburg. Auch deshalb stehen wir noch häufig in Kontakt. Beide leisten hervorragende Arbeit und haben eine Mannschaft geformt, die über die mannschaftliche Geschlossenheit kommt und über einen großen Zusammenhalt verfügt. Jetzt gilt es, die Euphorie des Aufstiegs mit in die Saison zu nehmen“, urteilt Bommer und ergänzt mit einem Schmunzeln: „Ich mache mir da keine Sorgen. Die zwei Pappenheimer werden das schon richten.“
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In der nächsten Folge am Donnerstag: Der BFC Dynamo
Autor/-in: Christian Knoth/MSPW