Vereinswechsel: Das musst du wissen!
Sommerzeit ist Transferzeit: Das ist im Amateurfußball nicht anders als in der Bundesliga. Hier gibt's die wichtigsten Fragen und Antworten zum Vereinswechsel.
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Der ESV Neuaubing ist die erste bayerische Flüchtlingsmannschaft, die am Spielbetrieb teilnimmt. [Foto: Getty Images]
ESV Neuaubing gegen den SV Am Hart München III. Ein gewöhnliches Kreisligaspiel? Nicht ganz. Die erste Flüchtlingsmannschaft in Bayern, die am regulären Spielbetrieb teilnimmt, feierte ihr Heimdebüt. FUSSBALL.DE war live dabei.
Der Geruch von verschwitzten Schienbeinschonern, die nach dem letzten Training in einer Plastiktüte vergessen wurden, hängt in der Kabinenluft des ESV Neuaubing. Die Spieler der erstes Flüchtlingsmannschaft Bayerns, die am Ligabetrieb teilnimmt, sitzen auf den schmalen Bänken der in die Jahre gekommenen Umkleidekabine. In weniger als einer halben Stunde wird das erste Heimspiel des ESV gegen den SV Am Hart München III angepfiffen. Trainer Olaf Butterbrod schwört sein Team mit donnernden Worten ein: „Die Gegner heute sind große Jungs. Aber wir packen das. Tretet als eine Mannschaft auf, haltet zusammen und spielt fair“, sagt er. Selbstbewusstsein, Geschlossenheit, Fairplay – alles wie immer.
Vor dreieinhalb Jahren begann das Abenteuer „Flüchtlingsmannschaft“ - klein und unscheinbar auf einem Kunstrasen-Kleinfeld am Rande des Englischen Gartens. Olaf Butterbrod spielte dort Fußball mit Flüchtlingen aus Afghanistan, Iran, Irak und Eritrea. Unentgeltlich, unkompliziert. Das sprach sich schnell herum. „In all den Jahren hatte ich rund 100 Flüchtlinge in meinem Training. Es waren immer sympathische Menschen“, erzählt der Trainer, dessen ungewöhnliches Engagement belohnt wurde. Denn eines Tages war der Münchner ESV Neuaubing auf der Suche nach einer neuen Mannschaft. Vergangene Saison hattne sich die erste und zweite Mannschaft des Vereins aufgelöst. Butterbrod ergriff die Chance und sprang mit seinem Amateurteam ein. Seitdem spielen die Flüchtlinge mit Unterstützung vier ehemaliger Spieler des ESV in der Kreisklasse C.
"Sobald wir gegen eine iranische Mannschaft spielten, hat der Schiedsrichter das Spiel einfach erst abgepfiffen, wenn wir hinten lagen"
Hadi Mirzaee mit der Trikotnummer 11 ist einer von ihnen. Seine Eltern sind Kriegsflüchtlinge. Vor Hadis Geburt mussten sie ihre Heimat Afghanistan verlassen. Sie flohen nach Teheran, wo der heute 18-jährige Hadi geboren wurde und aufwuchs. Ohne Pass, ohne Versicherung, ohne Rechte. Als Afghane im Iran würde man behandelt, wie ein Mensch dritter Klasse, erzählt er nachdenklich.
Selbst im Fußball mache sich die Diskriminierung der Afghanen bemerkbar. Mit seiner damaligen Mannschaft durfte er nur Freundschaftsspiele bestreiten. „Sobald wir gegen eine iranische Mannschaft spielten, hat der Schiedsrichter das Spiel einfach erst abgepfiffen, wenn wir hinten lagen“, sagt Hadi. Er lebte in ständiger Angst vor der Polizei. Vor knapp zwei Jahren wurde sein Leben im Iran unerträglich. Er floh aus seinem Geburtsland und machte sich zu Fuß auf den Weg nach Europa.
Heute sitzt er voller Erwartung auf der Kabinenbank und hört der Ansprache seines Trainers zu. Gleich geht es für ihn raus auf den Platz. Den ganzen Tag über war seine einzige Sorge, genügend Tore zu schießen. Sein Leben im Iran und die Flucht scheinen zumindest für eine kurze Zeit vergessen. Pünktlich pfeift der Unparteiische an. In der fünften Minute gleich die erste Chance für den ESV. Ein ungehinderter Querpass vor dem Tor der Gäste, Hadi verlängert und trifft. 1:0 für Neuaubing. Der SV Am Hart München, offensichtlich überrascht von so viel Siegeswillen, ändert seine Taktik. Die Abwehrkette der Gäste macht geschlossen einen Schritt nach vorne und lässt so regelmäßig die vier Angreifer des ESV ins Abseits laufen. Immer und immer wieder pfeift der Schiedsrichter ab. Aufgrund ihrer Klasse und ihrer Offensivkraft, müsste es schon lange 3:0 stehen. Doch die Spieler aus dem Nahen Osten und Nordafrika tappen immer wieder in die Falle. Dem SV Am Hart gelingt erst der Anschlusstreffer, dann die Führung.
Die Stimmung auf dem Platz heizt sich auf. Arabische, persische, deutsche und englische Wortfetzen fliegen über das Feld. Trainer Butterbrod bleibt relativ gelassen. „Gut, Abseits zu erkennen, ist wohl noch nicht unsere Stärke“, sagt er. An der Orientierung auf dem Großfeld hapert es noch. „Wir haben bis jetzt immer nur auf einem Kunstrasen-Kleinfeld gespielt und auch in ihren Heimatländern hatten die wenigsten meiner Spieler mal ein Taktiktraining“, erklärt der 48-Jährige. Immer wieder tappt auch Hadi in die Abseitsfalle des SV. Lautstark ärgert er sich über die verpatzten Torchancen. Kaum vorstellbar, dass der Stürmer vor zwei Stunden noch etwas schüchtern in der Küche seiner Wohngruppe stand.
Vor dem Spiel hat Hadi noch Mittagessen gekocht. Auf dem Herd köchelt ein riesiger Topf Reis, Hähnchen und Gemüse gibt es dazu. Während er geschickt die Hähnchenkeulen von ihrer Haut befreit, erzählt er über sein neues Leben in Deutschland. „Am Anfang war ich sehr einsam. Jetzt möchte ich unbedingt in München bleiben. Hier habe ich eine Zukunft, auch wenn ich mich noch immer fremd fühle“, sagt Hadi. Liebevoll spricht er über seine Familie. Für seine Eltern sei die Flucht zu mühsam. Alte, schwache Menschen habe er auf seiner Flucht sterben gesehen. Aber sein kleiner Bruder könne es schaffen, meint er.
„Ich bin sehr dankbar für alles hier. Ich mache Praktika, meinen Schulabschluss und treffe mich mit Lerngruppen“, erzählt Hadi. Seine Eltern seien sehr stolz auf ihn, sagt Olaf Butterbrod. Der Trainer ist in seinen Ferien in den Iran geflogen und hat Hadis Familie besucht. „Seinen Charme hat der junge Mann mit Sicherheit von seiner Mutter“, meint er. Sein Blick schweift über das Fußballfeld zu Hadi, der sich gerade lautstark über eine weitere Abseitsentscheidung beschwert. Butterbrod lacht: „Fußball tut ihm wirklich gut. Ich muss ihn nur so spielen sehen und weiß, dass er in dem Moment abschalten kann.“
Hadi scheint tatsächlich nichts mehr außerhalb des Platzes wahrzunehmen. Seine Torchancen häufen sich und immer wieder läuft er sich frei. Der Ausgleich vor der Halbzeit wäre so wichtig für sein Team. Kurz vor dem Halbzeitpfiff zieht Hadi durch und trifft zum 2:2. Die Freude ist riesig, Trainer Butterbrod zufrieden. „Jungs, wir müssen das Spiel jetzt gewinnen. Wir sind die bessere Mannschaft. Reißt euch vorne zusammen“, sagt er in der Pause. Hadi übersetzt für einen neuen Mannschaftskollegen. Jetzt schaltet sich einer der deutschen Stammspieler ein. Torwart Daniel Wenzel unterstützt seinen Trainer. „Ihr könnt euch nicht vorne vor das Tor stellen und warten. Lauft mit zurück, habt die gegnerischen Abwehrspieler im Blick. Ihr müsst vor ihnen stehen“, sagt er.
Dass im Training hin und wieder solche Grundlagen wiederholt werden müssen, stört Daniel überhaupt nicht. „Dafür liegt die Trainingsbeteiligung bei fast 100 Prozent“, erklärt er. Das liegt seiner Meinung nach zu großen Teilen an Olaf Butterbrod. Der 45-Jährige hat einen 40-Stunden-Job bei der BayernLB, trainiert seine Jungs zweimal die Woche und ist gleichzeitig Sponsorenbeauftragter, Sozialarbeiter, Medienansprechpartner und Mädchen für alles. Als einer seiner Jungs mit eingezogenem Kopf beichtet, dass er ohne Ticket in der Bahn erwischt wurde, bekommt er erst einmal eine Standpauke zu hören. Die Rechnung übernimmt Butterbrod trotzdem. „Wir sind ihm wirklich als Menschen wichtig. Nicht nur die Flüchtlinge, sondern seine ganze Mannschaft liegt ihm am Herzen. Das zeigt sich auch im Training“, erklärt Torwart Wenzel.
Die Unterhaltung endet abrupt, als der Pfiff zur zweiten Halbzeit ertönt. Voll motiviert stürmt die Mannschaft der Flüchtlinge auf den Platz. Trotz Halbzeitansprache schnappt gleich bei der ersten Gelegenheit die Abseitsfalle des SV Am Hart wieder zu. Die Gäste nutzen ihren taktischen Vorteil voll aus. Lange Zeit sind sie am Drücker, aber auch der ESV lässt nicht nach. Ein Raunen geht durch das Publikum, als Hadi in der 60. Minute knapp am Tor der Gäste vorbei schießt.
Am Spielfeldrand stehen unter anderen die Eltern des Vorstands Christian Brey. Sie ärgern sich über die vergebene Chance zum Führungstreffer und verfolgen gebannt das Spiel. Sie vertreten heute ihren Sohn, der das Wochenende nicht in München ist. „Endlich spielen hier wieder junge Leute Fußball. Dem Verein tut das richtig gut“, sagen sie. Aus der alten ersten und zweiten Herrenmannschaft des Vereins sind immer weniger Spieler zum Training gekommen. Sechs Spieler waren am Ende noch übrig. Alle anderen haben wegen Unstimmigkeiten den Verein gewechselt. Mit Olaf Butterbrod und seinem neuen Team weht ein frischer Wind durch den ESV Neuaubing.
Davon profitieren das Vereinsleben, das Training und auch das erste Heimspiel. Nach dem letzten Schuss knapp am Tor vorbei, hat der ESV wieder Oberhand gewonnen. Erfolgreich wehren sie einen Eckstoß der Gäste ab. Schneller Konter. Schon wieder aber stehen die Stürmer bedenklich nah an der Abseitslinie. Es kommt ein Pass aus dem Mittelfeld nach rechts außen. Trainer und Zuschauer rechnen fast schon mit dem Abseitspfiff, doch der Unparteiische lässt das Spiel laufen – Tor! In der 77. Minute gehen die Gastgeber mit 3:2 in Führung. Den knappen Vorsprung können sie halten. Mit viel Einsatz und Leidenschaft sichert sich die Mannschaft ihre ersten drei Heimspiel-Punkte.
„Zwei Spiele, zwei Siege. So soll es laufen“, sagt Olaf Butterbrod nach der Partie. Zufrieden klatscht er sein Team ab. „Dieser Tag ist das beste Beispiel dafür, wie viel mir meine Mannschaft zurückgibt“ sagt der Trainer. Er ist umringt von Spielern, Vereinsmitgliedern und Zuschauern. Es wird viel gelacht und die letzten Sonnenstrahlen des Tages fallen auf den Platz. Hadi löst sich aus der Gruppe, um sich zu verabschieden. „Nächstes Mal schieße ich noch ein Tor mehr“, sagt der 18-Jährige, der im Iran geboren wurde und langsam ein wenig Münchner wird. Dann lächelt er und macht sich auf den Nachhauseweg. Er dreht sich nochmal um und sagt „Servus“.
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