Nach Unfall: Mitspieler schenken neues Auto

Seit drei Jahren und vier Monaten ist Taha Al-Shaikhli in Deutschland. Er kommt aus dem Irak, mit seinem Bruder Ahmet verlässt er seine vom Krieg gebeutelte Heimat und macht sich auf den weiten, gefährlichen Weg in ein neues Leben. Er landet im Emsland, in der Samtgemeinde Werlte und schließt sich dort dem FC Bockholte an. Der 23-Jährige ist glücklich in seiner neuen Umgebung, ist im Fußballverein schnell integriert und findet eine Arbeit als Tischler-Azubi. Dann landet er mit dem Auto im Graben.

Es ist Donnerstag, 30. Mai, Christi Himmelfahrt und Vatertag. Statt mit dem Bollerwagen und ein paar Kisten Bier fährt Taha Al-Shaikhli morgens auf der Landstraße nach Sögel und muss plötzlich einem Reh ausweichen. Er verliert die Kontrolle über seinen Opel Vectra und kracht vor einen Baum. Zum Glück wird Taha nur leicht verletzt, er muss zur Kontrolle für eine Nacht im Krankenhaus bleiben, aber bis auf ein paar schmerzhafte Prellungen bleibt er unversehrt. Nur sein Wagen ist hinüber – und jetzt kommen seine Teamkollegen vom FC Bockholte ins Spiel.

"Wir haben Taha nachmittags im Krankenhaus besucht und da kam uns schnell der Gedanke, dass wir etwas für ihn tun müssen. Er braucht ja ein Auto für den Weg zur Arbeit", berichtet Sascha Bartels. "Abends haben wir uns noch mit ein paar anderen Spielern in der Kneipe getroffen und dann wurden die Pläne konkreter."

Alle schmeißen zusammen

"So eine geile Aktion. Ich kann es immer noch nicht glauben!"

Er und Michael Hinrichs starten eine WhatsApp -Gruppe, in die Taha Al-Shaikhli ganz bewusst nicht aufgenommen wird. Im Chat steht eine zentrale Frage: Wer beteiligt sich an den Kosten für ein neues Auto für Taha? "Alle waren sofort dabei – und wir haben einige Mitspieler, die selbst noch in der Ausbildung sind und nicht viel Geld haben", berichtet Sascha Bartels. "Nach zwei Tagen hatten wir die Summe, die wir brauchten, zusammen."

Er und Michael Hinrichs suchen im Internet nach einem guten Gebrauchten und werden in der Nähe fündig. Ein Peugeot 206 Diesel steht privat zum Verkauf, Baujahr 2012, nur 73.000 Kilometer gelaufen. Passt! Genau vier Tage nach dem Unfall haben die Bockholter für ihren Mitspieler einen neuen Wagen am Start, einen Tag später wird er angemeldet – und jetzt muss nur noch die Übergabe geplant werden.

"Wir haben in unserer normalen WhatsApp -Gruppe, in der natürlich auch Taha ist, einen Post geschrieben, dass wir uns kurzfristig zu einem Mannschaftsabend treffen", verrät Sascha Bartels. "Ich wusste nicht, wie ich zum Platz kommen sollte, aber dann hat mich Sascha angerufen und mir gesagt, dass er mich um halb acht abholen würde", verrät Taha Al-Shaikhli. "Das hat mich sehr gefreut. Wir sind dann also zum Platz gefahren und ich habe ihn noch gebeten, sich zu beeilen, damit wir nicht zu spät kommen und in die Mannschaftskasse zahlen müssen."

Spieler verstecken sich

Er ahnt von nichts, die Saison ist zwar vorüber, aber Sascha Bartels erzählt ihm, dass der Trainer und der Vorstand etwas mit der Truppe zu besprechen hätte. Sie fahren am Westerkamp vor, doch niemand ist zu sehen. "Mir kam das ein bisschen komisch vor", gibt Taha Al-Shaikhli zu. Sie haben ja nur auf ihn gewartet, denn wie auf Kommando kommen plötzlich Spieler, Trainer Hermann Herbers und die Verantwortlichen des FC Bockholte aus ihrem Versteck hinter einem Container, wo auch der Peugeot für Taha parkt. Michael Hinrichs hat einen Autoschlüssel in der Hand und überreicht ihn dem perplexen Mitspieler. "Damit habe ich nie gerechnet, was für eine geile Aktion", strahlt Taha und gibt zu: "Ich kann es immer noch nicht glauben!"

Es wird noch ein bunter Mannschaftsabend an diesem 5. Juni. Taha Al-Shaikhli, der als Muslim keinen Alkohol trinkt, schmeißt eine Runde Bier nach der anderen. Er muss sich keine Sorgen mehr machen, wie er zur Arbeit kommt, zuverlässig schnurrt der Motor des Peugeot. "Ein ganz tolles Auto, wie neu und sehr gepflegt", lobt Taha den Franzosen. "Der hat sicher eine Menge Geld gekostet. Ich bin den Jungs so dankbar!"

Er weiß nicht, wie viel genau seine Teamkameraden auf den Tisch gelegt haben, letztlich ist es auch egal. "Für uns war es selbstverständlich, dass wir Taha helfen", so Sascha Bartels und winkt ab.

Vom fernen Irak ins kleine Bockkholte im Emsland. Taha Al-Shaikhli hat an einem völlig anderen Ende der Welt sein Glück gefunden. Aus Deutschland, das so großzügig zu ihm ist, will der Abiturient und Student der Wirtschaft nicht mehr weg. Das war für ihn auch schon vor der tollen Aktion seiner Mitspieler klar. Seine Aufenthaltsgenehmigung allerdings ist immer nur auf sechs Monate beschränkt, deshalb hofft er nach der Tischler-Ausbildung auf eine Festanstellung, dann darf er dauerhaft in seiner neuen Heimat bleiben. "Der FC Bockholte ist wie eine Familie für mich", sagt er.

Am Wochenende kommt die Bockholter Familie wieder zusammen, dann wird am Westerkamp der Dorfpokal ausgespielt - ein Juxturnier. Taha Al-Shaikhli ist selbstverständlich dabei, er fährt mit seinem neuen Wagen vor.