Der "Traumhüter" kehrt zurück. Lars Leese hat mit seiner Biografie über seinen Weg aus Kreisliga in die Premier League und zurück bundesweit für Aufsehen gesorgt. Nach einer einjährigen Auszeit übernimmt der 45-jährige Fußballlehrer im Sommer den Bezirksligisten Ditib Sportklub Köln. Warum Bezirksliga? Und warum einen Klub mit muslimischen Wurzeln?
„Ich habe einfach Bock auf diese Aufgabe“, sagt Leese im FUSSBALL.DE -Interview. „Es ist sportlich eine Herausforderung, aber auch menschlich.“ Und außerdem ist es ja nicht das erste Mal, dass der frühere Torhüter zwei Schritte zurückgeht, um weiter nach vorne zu kommen. Um das zu erkennen, reicht ein Blick in seine Vita. Das nächste Kapitel des Traumhüters kann beginnen.
FUSSBALL.DE: Herr Leese, zur neuen Saison werden Sie Trainer beim DSK Köln, einem Bezirksligisten. Wie kommt es dazu?
Lars Leese: Ich hatte viele gute Gespräche mit den Verantwortlichen – und zwar über einen längeren Zeitraum. Es war ein sehr herzlicher Austausch in familiärer Atmosphäre. Das ist mir grundsätzlich wichtig. Deshalb ist mir die Entscheidung nicht schwer gefallen. Es ging dabei nicht ums Geld, da hätte ich eines der anderen Angebote annehmen müssen. Ich habe den Eindruck, dass wir hier wirklich etwas bewegen können. Da möchte ich meinen Teil zu beitragen. Ich spüre Aufbruchsstimmung.
FUSSBALL.DE: Wie macht sich das bemerkbar?
Aus meiner Sicht werden im Moment genau die richtigen Entscheidungen getroffen. Es wird nicht wie bei vielen anderen Klubs der ewig gleiche Fehler gemacht. Hier wird nicht zuerst in der Mannschaft investiert und dann in die Infrastruktur. Der umgekehrte Weg wird gewählt, und das ist richtig so, denke ich. Es entstehen im Schatten der Moschee hier in Köln neue Kunstrasenplätze. Das Sportliche wird dann von selbst folgen.
"Jetzt zählt zunächst nur DSK Köln. Ich habe richtig Bock darauf"
FUSSBALL.DE: DSK Köln ist ein sehr muslimischer Verein. Ist das auch der Reiz?
Auf jeden Fall. Es stehen zum Beispiel sehr viele türkische Spieler im Kader. Die meisten sind hier groß geworden, sprechen perfekt die deutsche Sprache und sind längst integriert. Aber eben nicht alle. Ich möchte die Jungs gerne sportlich entwickeln. Aber ich sehe es auch als meine Aufgabe an, sie weiter in unserer Gesellschaft zu integrieren. Dieser Aspekt geht weit über den sportlichen Gesichtspunkt hinaus.
FUSSBALL.DE: Was ist sportlich möglich?
Wir wollen den nächsten Schritt in die Spitzengruppe der Bezirksliga machen. Ein Platz unter den ersten fünf sollte es schon sein. Mal sehen, ob wir auch ganz oben angreifen können. Das hängt von verschiedenen Dingen ab. Mittelfristig sollten wir aber schon den Aufstieg in die Landesliga packen. Das ist mein Anspruch.
FUSSBALL.DE: Herr Leese, mal ehrlich, Sie gehen als Fußballlehrer in die Bezirksliga. Ist das nicht ein ziemlicher Rückschritt?
Das mag auf den ersten Blick so aussehen. Aber werfen Sie einen Blick in meine Vita. Sie werden erkennen, dass ich das nicht zum ersten Mal so mache. Und bisher habe ich es nicht bereut.
FUSSBALL.DE: Die Geschichte des Traumhüters?
Genau. Ich war zu meiner aktiven Zeit ein recht ambitionierter Torwart. Aber dann kam der Zeitpunkt, als ich mich zurückgezogen und mich einer Thekenmannschaft angeschlossen habe. Von dort ist die Geschichte dann losgegangen – bis in die englische Premier League.
FUSSBALL.DE: Also ist eine Wiederholung der Geschichte nicht ausgeschlossen? Das Kapitel Trainer im Profibereich weiterhin ein Thema?
Natürlich, ich bin mit Leib und Seele Trainer. Wenn ich etwas mache, dann auch richtig. Mit Leidenschaft und Akribie. Da spielt es für mich keine Rolle, ob wir von der Bundesliga sprechen, der Regionalliga oder eben der Bezirksliga.
FUSSBALL.DE: Aber sind Sie nicht womöglich überqualifiziert für die Bezirksliga? Können Sie damit umgehen, wenn ein Spieler wegen des Berufs nicht zum Training kommt?
Das möchte ich herausfinden. Ich möchte testen, ob ich wirklich überqualifiziert bin. Ich möchte auch herausfinden, was ich als Trainer bei einem Bezirksligisten erreichen kann. Es ist doch ganz klar, dass bei den Jungs auf diesem Niveau der Job absolut im Vordergrund steht. Wir werden dreimal in der Woche Training anbieten. Ich werde mich sehr gewissenhaft darauf vorbereiten. Aber mir ist auch bewusst, dass es Tage geben wird, an denen wir zum Beispiel ohne Torwart dastehen werden. Wenn unsere Keeper Spätdienst haben, können sie nicht um 19 Uhr auf dem Platz stehen. Dann müssen wir improvisieren. So ist das eben.
FUSSBALL.DE: Sie selbst sind auch berufstätig. Auch deshalb die Entscheidung für einen Bezirksligisten?
Es passt einfach gut in meinen aktuellen Lebensplan. Ich bin momentan selbständig unter anderem für den Talanx-Konzern tätig und plane Incentive-Veranstaltungen rund um die Heimspiele von Borussia Mönchengladbach. Als Trainer war ich zuletzt zehn Jahre fast durchgängig in der Regional- und Oberliga bei der SSVg Velbert und dem SV Bergisch Gladbach 09 tätig. Es war großartig, aber ich war sieben Tage die Woche damit beschäftigt – oft im Abstiegskampf. Ich war ausgelutscht. Ich konnte nicht mehr. Jetzt hatte ich eine einjährige Auszeit, die mir gut getan hat. Der Akku ist wieder voll. Ich freue mich unheimlich auf diese neue Herausforderung.
FUSSBALL.DE: Zuletzt in Velbert war es ja durchaus kurios: Sie haben die Mannschaft zum Aufstieg geführt, später sind die freigestellt worden, dann wurden Sie wieder als Trainer vorgestellt und wiederum später erneut beurlaubt. Haben Sie so etwas vorher schon einmal erlebt?
In dieser Konstellation nicht, nein. Das war außergewöhnlich. Ich hatte gute Zeiten in Velbert, teilweise war es allerdings auch schwierig. Aber wissen Sie, was mich wirklich ärgert? Als der Abstieg aus der Regionalliga nicht mehr zu vermeiden war, hatte ich die Aufgabe, eine schlagkräftige Mannschaft für die Oberliga zusammenzustellen. Genau das habe ich getan. Und das sind die Jungs, die jetzt souverän die Rückkehr in die Regionalliga schaffen werden. Leider hat man mir die Gelegenheit dazu nicht gegeben, sondern mich vorher beurlaubt. Das tut noch immer weh.
FUSSBALL.DE: Und wie war es vorher in Bergisch Gladbach?
Großartig. Ich habe noch immer gute Verbindungen dorthin. Es war meine erste Trainerstation. Und wir sind im ersten Jahr direkt aufgestiegen in die Oberliga, die damals mit der heutigen Regionalliga vergleichbar war. Es war klar, dass es für den Klub nicht weiter nach oben gehen würde. Im Gegenteil, wir waren teilweise knüppelhart im Abstiegskampf – und das ist wirklich krasser Stress. Wenn man um den Aufstieg mitspielt, ist es positiver Druck. Wenn es um den Klassenerhalt geht, dann geht es auch an die Substanz. Deshalb bin ich froh, dass wir jetzt voraussichtlich eher an der Spitze zu finden sein werden.
FUSSBALL.DE: Also beginnt nun ein weiteres Kapitel des Traumhüters?
Ich hoffe es, und ich werde alles dafür tun. Wie gesagt, ich will nicht ausschließlich, dass ich irgendwann noch mal im Profibereich auftauchen werde. Das ist weiterhin mein Ziel, dafür habe ich diese Ausbildung gemacht. Aber da gehören auch ein wenig Glück und die richtigen Kontakte zu. Dann kann es ganz schnell gehen. Jetzt zählt zunächst nur DSK Köln. Ich habe richtig Bock darauf.
Autor/-in: Martin Schwartz