Irre Pfeifen! Das Beste aus dem Schiri-Alltag
In der vergangenen Saison ist viel passiert. Auch bei den vielen Schiedsrichtern auf den Amateurplätzen. [Foto: FUSSBALL.DE]
Schluss. Aus. Vorbei. Die Saison 2014/2015 ist zu Ende. Die mehr als 25.000 Amateurvereine in ganz Deutschland feierten große Triumphe und mussten bittere Niederlagen einstecken. Die Schiedsrichter haben abgepfiffen, ihre Assistenten letztmals abgewunken - und genau um sie und ihre schönen, kuriosen und beeindrucken Erlebnisse der vergangenen Amateurspielzeit geht es hier. Die Redaktion von FUSSBALL.DE hat die besten Schiedsrichter-Geschichten 2014/15 gesammelt.
Der Rippenbruch
Rippenbruch bei einem Schiedsrichter? Da denkt man schnell an Gewalt und Ausschreitungen. Die gab es beim Testspiel zwischen dem SC Batavia Passau und der DJK Sonnen nicht. Was war also passiert? Bernhard "Bane" Enzesberger hatte einen Gewaltschuss von Passau-Stürmer Christian Käser abgekommen und ging dadurch zu Boden - pfiff die Partie aber zu Ende. Nach dem Spiel ließ sich der 66-Jährige vom Arzt untersuchen und bekam die Diagnose: doppelter Rippenbruch. Die Spieler vom SC Batavia Passau sendeten - geschockt vom mehrtägigen Krankenhausaufenthalt - via Facebook ihre Genesungswünsche an "Iron-Bane", den harten Kerl an der Pfeife.
Die Wurstsemmel
"Ich habe mich hinter unserem Innenverteidiger Lukas Grünen versteckt und meine Schuhe zugemacht. Naja, ich habe nur so getan"
Das Spiel unterbrechen musste hingegen Peter Wolf aus Oberbayern: Der Schiri schaffte es in die Lokalzeitung, weil er die C-Klassen-Partie FSV Aufkirchen II gegen den FSV Kottgeisering II kurz stoppte, um sich eine Wurstsemmel zu kaufen. Kein Witz. Der Mann hatte halt Hunger. Mitte der zweiten Halbzeit hatte Wolf auf Eckstoß entschieden. Direkt neben der Eckfahne stand der Grill. Also hielt Wolf das Spiel kurz an, ließ sich eine Wurstsemmel über die Theke reichen, biss rein - und gab das Spiel wieder frei, berichtete das Fürstenfeldbrucker Tagblatt . "Ich hatte Unterzucker und musste einfach was zu mir nehmen, sonst wäre ich zusammengebrochen", so Wolf.
Der frühe Abpiff
Ein Schiedsrichter-Pfiff sorgte auch in der Kreisliga Regensburg für Aufsehen: In der Partie TSV Großberg gegen TSV Bernhardswald lagen die Gastgeber mit 2:7 zurück, als Schiedsrichter Markus Erndl das Geschehen per Schlusspfiff beendete. Dass allerdings erst 82 Minuten gespielt waren, machten Erndl kurz darauf seine Assistenten klar. Also trommelte das Trio die Spieler wieder zusammen, von denen schon einige unter der Dusche waren. Großberg bestritt die letzten acht Minuten also mit nur noch vier Mann, es schaute nach Nichtangriffspakt aus - aber die Großberger schossen das 3:7. Im Gegenzug durfte Bernhardswald dann auch noch einmal treffen. Und dann pfiff Markus Erndl die Partie mit dem Endstand von 3:8 ab. Rechtzeitig.
Der Personalausweis
Nicht so recht ihren Augen trauen konnten die Besucher der Partie TSV Berkheim III gegen den TSV Harthausen in der Kreisliga B in Esslingen: Denn Schiedsrichter Senad Jerkovic hantierte mit seinem blassen Personalausweis und seiner roten Sparkassen-Karte rum - auf dem Spielfeld! Pfeife und Karten hatte der 46-Jährige nämlich vergessen. "Ich habe in meine Brieftasche geschaut und gedacht: Mein Personalausweis ist grau, der kann auch als Gelbe Karte durchgehen. Und meine Bank-Karte von der Kreissparkasse nehme ich dann als Rote Karte", so Jerkovic. "Das Spiel lief gut und die Spieler haben die Situation echt gut angenommen. Auch wenn wir natürlich immer alle schmunzeln mussten, wenn eine Karte gezeigt wurde." Das Ergebnis (1:4) wird zur Randnotiz. Das Gesprächsthema Nummer eins bei Zuschauern und Spielern ist der Schiedsrichter, der ganze sechs Mal den Personalausweis und kurz vor Schluss sogar eine Ampelkarte, also eine Perso-Bank-Karte, verteilen muss.
Das Versteckspiel
Ziemlich kurios wurde es auch in der Kreisliga C Mosel/Hochwald: Der 61-jährige Schiedsrichter Hubert Lochen von der SG Rascheid/Geisfeld zeigte Kevin Seitz, Angreifer der SG Issel-Kenn, die gelb-rote Karte. Klingt gewöhnlich, war es aber nicht. Denn Seitz sah in der Partie gegen die SG Pölich-Schleich II (Endstand 4:0) die Ampelkarte, weil er sich - kein Witz - vor dem Schiri versteckt hatte. "Nach einem Foul wollte ich ihm die Gelbe Karte zeigen", beschreibt der Unparteiische Hubert Lochen die Szene, "bis der Freistoß ausgeführt werden konnte, hat es aber eine Zeitlang gedauert. Der Ball war weit weg. Und ich musste den Spieler suchen. Ich habe gerufen, er kam nicht. Er wollte sich dadurch der Gelben Karte entziehen - und das ist für mich eine Unsportlichkeit. Also habe ich ihm die Gelbe und dann die Gelb-Rote Karte gezeigt."
So sah Kevin Seitz die Situation: "Die Gelegenheit habe ich versucht zu nutzen und mich aus dem Staub gemacht. Ich habe mich hinter unserem Innenverteidiger Lukas Grünen versteckt und meine Schuhe zugemacht. Naja, ich habe nur so getan. Nach einer gefühlten Minute hat der Schiri mich immer noch gesucht, mich dann gesehen, ist aus 30, 35 Metern auf mich zugekommen und hat mir erst Gelb und dann Gelb-Rot gezeigt. Am Anfang habe ich mich tierisch aufgeregt, aber im Nachhinein weiß ich, dass es eine dumme Aktion von mir war." Und eine, die wir unbedingt in unseren Saisonrückblick aufnehmen mussten.
Die Familie Günther
Dass es auf dem Spielfeld auch harmonischer zugehen kann, zeigen gleich drei schöne Schiedsrichter-Beispiele: Im niedersächsischen Landkreis Schaumburg etwa verbringt die Familie Günther hin und wieder ihre Wochenenden gemeinsam auf dem Fußballplatz. Dann pfeift Vater Jens und an der Seitenlinie stehen Frau Martina und Sohn Mel. Das Grinsen der Günthers ist groß, wenn auf den Kreisliga- und Kreisklassen-Plätzen vor dem Anstoß durchgesagt wird: "Das heutige Spiel wird geleitet - von der Familie Günther!" Verwunderlich nur, dass Tochter Jenny aus der Reihe springt und nicht pfeift: "Ich mag das nicht, wenn man als Schiedsrichter von den anderen Menschen angemacht wird."
Die Familie Jungblut
Auch die Jungbluts vom SV Waldfeucht-Bocket im Kreis Heinsberg sind eine begeisterte Schiedsrichter-Familie: Vater Andre Jungblut-Francisco hat mit der Schiedsrichterei seinen Kindheitstraum erfüllt und er steht mit seinen Teenager-Söhnen Thomas und Joaquim, die ihm an der Linie assistieren, auf dem Platz. "Ein Sonntag ohne Schiedsrichter zu sein, ist ein verlorener Sonntag", sagt Andre Jungblut-Francisco. Dass das Trio auch durchaus aufzufallen weiß, zeigt unser Video .
Das Liebespaar
In Württemberg funkte es gar mal - irgendwann zwischen Abseits, Freistoß und Foulspiel. Die beiden Schiedsrichter Johanna Granzow-Emden (17) und Lukas Graeser-Herbstreuth (23) sind ein Paar. Bei einer gemeinsamen Schiri-Schulung hatte alles angefangen, anschließend hatte Johanna ihrem Lukas einige Male an der Seitenlinie assistiert. Hier die ganze Geschichte über das verliebte Paar aus Tübingen und Stuttgart.
Der Kleinste
Im Laufe der vergangenen Saison haben wir viele weitere ganz besondere Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen kennengelernt und vorgestellt. Da gibt es unter anderen Cem Yazirlioglu vom SSV Südwest Berlin: Er verschafft sich seit zehn Jahren Respekt und Anerkennung als Schiedsrichter in den Kreisligen Berlins. Und das, obwohl er bei einer Körpergröße von 1,38 Meter zu sämtlichen Spielern aufschauen muss. Während der 90 Minuten hört alles auf sein Kommando. Der kleinste Schiri Deutschlands.
Die Rekordmänner
Auch Sven Brinkmann vom FC Heversen aus Niederaschsen war uns eine Geschichte wert. Schließlich hat er es in der Saison 2013/14 zustande gebracht, satte 106 Partien zu pfeifen oder bei ihnen als Assistent an der Seite zu stehen. Dafür gab es eine verdiente Ehrung durch den Landesverband. Noch fleißiger allerdings war Baris Alayin vom 1. CfR Pforzheim: Nach unserer Berichterstattung über 106-Spiele-Schiri Sven Brinkmann hatte sich Alayin über Facebook an uns gewandt und berichtet, dass er sagenhafte 181 Spiele innerhalb der Saison 2013/14 geleitet hatte. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Stark!
Der Beeindruckende
Auch der Berliner Amateur-Schiedsrichter Gerald Bothe hinterließ bei uns mächtig Eindruck: Vor drei Jahren wurde er auf dem Fußballplatz bewusstlos geschlagen - dennoch hat er die Freude am Amateurfußball und der Schiedsrichterei nicht verloren. In einem großen Interview erklärt er, warum er trotz der Gewalt weiter pfeift.
Der Rollstuhl-Schiedsrichter
Nicht weniger beeindruckend ist die Lebensgeschichte von Frank Reinel : Der bayerische Schiedsrichter sitzt aufgrund einer angeborenen Gelenkversteifung im Rollstuhl. Dennoch ist er in der Lage, ein Fußballspiel alleine zu leiten. Sensationell.
Der Bruder des Weltmeisters
Und zu guter Letzt war natürlich auch Schiedsrichter Neuer aus Gelsenkirchen-Buer ein Thema für uns. Marcel Neuer , der Bruder des weltbesten Torhüters Manuel. Marcel ist ein Jahr älter als Manuel und studiert katholische Theologie und Geschichte auf Lehramt an der Ruhr-Universität in Bochum. Seit 15 Jahren ist er Schiedsrichter, aktuell leitet er Spiele bis zur Oberliga. In der Regionalliga ist er regelmäßig als Schiedsrichterassistent im Einsatz.