Ein Spiel dauert 90 Minuten. Von wegen. Ebenso wichtig wie das Fallrückziehertor in der Nachspielzeit ist die Figur, die man nach dem Abpfiff abgibt. Das gilt für Profis genau wie für Amateure. Wir haben im Rahmen der Themenwoche Nachahmer einige Rituale näher betrachtet.
Humba: Gebt mir ein Haaaaaaaa! Gebt mir ein Uuuuuu! Gebt mir ein Eeeeeemmmmm! Gebt mir ein Beeeeeeee! Gebt mir ein Aaaaaa! Gebt mir ein Auuusrufezeicheeeeen! Wir singen humba-humba-humba-täääteräää…. Das Ritual ist leicht zu merken. Begonnen hat alles Anfang der 90er Jahre, als Fans von Mainz 05 das alte Karnevalslied „Humba täterä“ von Ernst Neger nach Siegen ihrer Mannschaft im Stadion sangen. Lukas Podolski brachte es bei der EURO 2008 der breiten Masse bei, inzwischen wird es in so gut wie jedem Bundesliga-Stadion vom Fan-Liebling mit dem Megafon vor dem Fan-Block intoniert.
Und (leider) auch auf vielen deutschen Amateurplätzen . Die Ausführung kann mal peinlich sein, weil der Vorsänger schon ein Siegerbierchen zu viel ge-ext hat und die Reihenfolge der Buchstaben durcheinander bringt. Aber auch herzzerreißend, wenn die Humba von einem jungen Fußballer mit Handicap performt wird, der gerade sein erstes echtes Fußballspiel bestritten hat.
Fun Fact am Rande: Laut Spiegel mussten Entwicklungshelfer in Afrika in den 60er Jahren mühsame Aufklärungsarbeit leisten, dass der stampfende Faschingshit „Humba Täterä“ von Ernst Neger nicht die deutsche Nationalhymne ist. Könnte man heute allerdings auch denken – so oft, wie es im Stadion gesungen wird…
Halbnackt mit der Kanzlerin
Trikottausch: Der Albtraum für jeden Zeugwart. Mittelstürmer Matti hat bei der Bundesliga-Konferenz zu genau hingeschaut und gesehen, dass Dortmunds Marco Reus nach dem Spiel das Trikot mit dem gegnerischen Youngster getauscht hat. Als Erinnerung und Entschädigung dafür, dass er ihm in dessen zweiten Bundesliga-Spiel Knoten in die Beine gespielt und doppelt getroffen hat. Tolle Aktion, findet Matti, und nimmt sie sich für den Sonntag auf dem Dorfplatz auch vor.
Dass er allerdings kein Tor macht und stattdessen zweimal in aussichtsreicher Position über den Ball schlägt – geschenkt. Dass sein Gegenspieler das Trikot gar nicht haben will, weil er Mattis Team noch nie leiden konnte – Glück im Unglück. Denn was hätte Zeugwart Gerdchen nur gemacht, wenn plötzlich das Trikot mit der Nummer 9 nicht mehr da ist? Nachkaufen geht schließlich nicht, das Modell ist seit fünf Jahren vergriffen. Mal ganz davon abgesehen, dass der Sponsoraufdruck für die Pizzeria Mario keinen Sinn mehr macht. Das Lokal gibt es nämlich auch nicht mehr, wurde ersetzt durch eine Spielothek.
Kabinen-Selfie: Bier- statt Waschbrettbauch. Wasch- statt Entmüdungsbecken. Müll- statt Eistonne. Es gibt schon ein paar Unterschiede zwischen Kabinen-Selfies bei Profis und bei Amateuren. Im Kern ist es aber immer gleich: Ein Knäuel halbnackter Fußballer reckt die Daumen nach oben und posiert in mehr oder weniger lässiger Körperhaltung, im Vordergrund grinst vollkommen überdimensioniert die Visage des Fotografen in die Kamera. Das macht das Kabinen-Selfie schließlich aus. Und wenn die Bundeskanzlerin mal nicht als Stargast für das Foto zur Verfügung steht, tut es auch die Kiste Bier, die Metze anlässlich seines ersten Saisontores am letzten Wochenende spendiert hat. Das Foto wird dann gern und stolz in den sozialen Medien geteilt. Paradebeispiel: Vizeweltmeister Christoph Metzelder mit seinen Jungs von TuS Haltern .
Bier trinken, nicht verschütten
Beim Schiri motzen: Ein bewährtes Mittel. Wenn die 90-plus-x Minuten nicht so liefen wie gewünscht, kann man immer noch in der Nach-Nachspielzeit das Ergebnis beeinflussen. Ist schließlich schon oft passiert, dass der Schiedsrichter im Nachhinein die Elfmeterentscheidung revidiert hat, weil die Argumente der aufgebrachten Heimmannschaft ihn so überzeugt haben. Wenn schon nicht inhaltlich, dann wenigstens aufgrund der eloquenten und sachlichen Vortragsweise. Ernsthaft, Freunde. Ein bisschen Fairplay gegenüber dem Schiedsrichter kann doch wirklich nicht schaden, oder?
Bier-/Eiswasser-Dusche: Pep Guardiola war verwirrt. „Ist das wirklich so?“, fragte er ungläubig seinen Pressesprecher, als er erstmals Bilder von Bayern-Meisterfeiern sah. Grinsende Spieler mit übergroßen Weißbiergläsern in der Hand. Schneller, als sie in jedem Sprint im Spiel zuvor waren. Sie jagen einen panischen Trainer im feinen Zwirn über die Wiese, um ihm das gute Bier nicht etwa einzuflößen und ihn so etwas locker zu machen, sondern um es ihm über die mühsam frisierten Haare zu schüttern und ihm so ein entrücktes Lächeln zu entlocken. Auf deutschen Amateurfußballplätzen ist die Bierdusche auch weit verbreitet, aber wird nicht so inflationär ausgeübt. Der Grund ist einfach: Hier trinkt man das Bier lieber, als dass man es verschüttet.