Super-Martha: Die Attacke aus dem Schwarzwald
Sie gehören untrennbar zusammen: Martha, ihr FC Hüfingen und die Attacke. [Foto: FC Hüfingen]
Beim FC Bayern München galt lange Zeit Uli Hoeneß als Abteilung Attacke. Beim FC Hüfingen ist Martha Bäuerle für die Attacke zuständig. Die 78-Jährige ist Edelfan des Kreisligisten aus dem Schwarzwald und unsere Kultfigur der Woche.
Wenn der FC Hüfingen deutlich führt, dann wissen die Gegner: Gleich wird's laut. Manchmal, weil der unterlegene Trainer in der Kabine noch Redebedarf hat. Immer, weil Hüfingen Erfolge mit einem besonderen Ritual feiert: Nach Siegen bläst das Kreisliga-A-Team aus dem Schwarzwald zur Attacke.
Handgeblasenes Trompetensolo
Spieler, Trainer und Fans sammeln sich kurz nach Schlusspfiff um Martha Bäuerle. Hüfingens Edelfan spielt dann ein handgeblasenes Trompetensolo. Der Rest streckt den rechten Zeigefinger nach oben. Endet Martha Bäuerles Solo, brüllen die Hüfinger lautstark "Attacke". Drei Mal gibt's dieses Zusammenspiel. Danach klatschen die Hüfinger und besingen ihre "Super-Martha". Die Blau-Weißen feiern bereits seit über 20 Jahren ihre Siege auf diese Art.
"Der FC Hüfingen ist für mich zu einer zweiten Familie geworden"
Die Idee zur "Martha-Attacke" reifte in Nürnberg. Eine Gruppe vom FC Hüfingen sah sich dort ein Bundesligaspiel an. Während der Partie griff ein Anhänger des "Club" zur Trompete und stimmte den Block auf die Attacke ein. Diese Choreografie, die die Nürnberger von ihren Fanfreunden aus Schalke kannten, faszinierte die Hüfinger. "Das können wir doch auch mal bei uns machen", meinte ein Spieler. Gesagt, getan.
Beim nächsten Sieg hatte Martha Bäuerle ihren ersten Auftritt. Eine Trompete brauchte sie nicht, schließlich konnte sie die Töne gut imitieren. Zunächst schauten die besiegten Teams verwundert auf die Hüfinger. Mittlerweile wissen sie aber, wie die Fußballer aus dem 7500-Einwohner-Ort ihre Siege zelebrieren. "Die Attacke ist unser Markenzeichen geworden. Jeder Fußballer im Kreis und weit darüber hinaus verbindet uns damit", erklärt Vorstandsmitglied Martin Kleinert.
Waschfrau und Bäckerin
Wer im Schwarzwald-Baar-Kreis gegen den Ball tritt, kennt deshalb auch Martha Bäuerle. Die 78-Jährige hat sich durch die Attacke einen Namen gemacht. Doch für den FC Hüfingen ist sie mehr als eine Frau, die für gute Stimmung sorgt. Viel mehr.
Martha Bäuerle wäscht die Spielertrikots, putzt die Kabinen, backt vor den Heimspielen Kuchen und verkauft das Vereinsmagazin "Attacke". "Der FC Hüfingen ist für mich zu einer zweiten Familie geworden", erklärt die Witwe. Mit der Familie geht es jedes Wochenende auf Tour. Martha Bäuerles Söhne nehmen die Mutter zu jedem Spiel der Ersten Mannschaft mit. Ob zuhause oder auswärts, ob klirrende Kälte oder sengende Hitze - Martha Bäuerle ist stets dabei.
"Sie hatte vor kurzem Probleme mit ihren Knien. Deshalb auf ein Spiel zu verzichten, stand aber überhaupt nicht zur Debatte", erzählt Martin Kleinert. Schließlich hofft Martha Bäuerle stets auf einen Sieg. Und wenn sie nicht da wäre, wer würde dann, bitte schön, die Attacke eröffnen?
Aufstieg im vierten Versuch
Martha Bäuerle genießt jede Siegesfeier. Doch es gibt welche, die bleiben besonders in Erinnerung. Die größte Attacke gab es im Sommer 2009. Dem FC Hüfingen haftete damals noch der Ruf des ewigen Zweiten an. Drei Mal schaffte es der Klub in die Aufstiegsrunde zur Bezirksliga, drei Mal scheiterte er. Im vierten Versuch klappte es. "Nach dem Spiel war was los. Da haben wir mit mehr als hundert Leuten zur Attacke geblasen", berichtet Kleinert.
Zuletzt musste Martha Bäuerle häufig auf ihren Auftritt verzichten. Nach glänzendem Saisonstart blieb das Team von Trainer Javier Invernot-Perez vor der Winterpause sechs Partien sieglos und rutschte bis auf Platz sieben ab. „Ab Oktober hatten wir die Seuche mit Verletzungen“, sagt Kleinert.
Wenn es am 15. März wieder los geht, dürften die meisten Spieler wieder fit sein. Dann will Hüfingen schleunigst den nächsten Sieg einfahren - und die Sehnsucht nach der nächsten „Martha-Attacke“ stillen.
Alle Folgen der Kultfigur -Serie:
Teil 21: Jonas Azam: Jung, dynamisch, ehrenamtlich
Teil 20: Konrad Kirschberger: Love, Peace und Dachau ‘65
Teil 19: Jürgen Schuck, die Halle und klasse Mettbrötchen
Teil 18: Peter Droste: Der Mann, der einmal fremdging
Teil 17: Jakob Scherrers aus Waldenrath-Straeten: Der dienstälteste Frauentrainer der Welt
Teil 16: Höpfingens Rotschi: Ein Stadionkasper zum Genießen
Teil 15 Horst Launert von den Sportfreunden Bulmke
Teil 14: Willi Pott von Rot Weiss Ahlen
Teil 13: Karsten Wettberg, der „König von Giesing“, vom ATSV Kelheim
Teil 12: Fritz Ohrem vom BC Bliesheim
Teil 11: Guido Silberbach vom SV Herbede
Teil 10: Kurt Maus vom Euskirchener TSC
Teil 9: Helmut Hübner aus Güstrow
Teil 8: Hako Kluckert vom MFFC Wiesbaden
Teil 7: Eugen Igel aus Hamburg
Teil 6: Paul Esser von Germania Erftstadt
Teil 5: Katharina „Oma“ Fachinger von Fortuna Mönchengladbach
Teil 4: Uwe Neunsinger vom TSV Neustadt/Aisch
Teil 3: Joachim Uhsemann vom SC Eltersdorf