Der August begann in Berlin dieses Jahr mit 30 Grad und Sonnenschein. Biergartenwetter. In der zweiten Hälfte war es kühler und regnerisch. Aber alles in allem kein Wetter, bei dem man an Winter, Kälte und Hallenfußball denkt. Einer tat dies schon, so wie jedes Jahr im August: Jürgen Schuck, Organisator des traditionsreichen Landesliga-Hallenturniers in Berlin.
Kürzlich fanden die ersten Vorrunden in der Sporthalle Schöneberg statt, die Liebhaber des Hauptstadt-Hallenfußballs vor allem wegen der hervorragenden Mettbrötchen schätzen. Für Schuck und sein kleines, eingespieltes Team endeten gut dreieinhalb Monate Vorbereitungszeit. "Das ist schon jedes Mal eine ganze Menge Arbeit", sagt der 72-Jährige.
Aber inzwischen auch eine Menge Routine. Schuck ist im achten Jahr Vorsitzender der Landesliga-AG, um das Turnier kümmert er sich seit zehn Jahren. Vereine anschreiben, Sponsoren heranholen, Spielplan erstellen, Plakate drucken lassen, sich um das Programmheft kümmern – all das hat sich auch 2014 nicht von selbst erledigt. Aber es hat alles wieder hingehauen. "Wir sind sehr zufrieden", sagte Schuck vor dem ersten Anstoß zwischen den Sportfreunden Johannisthal und Berolina Stralau.
Berliner Sonderweg
"Irgendeener hat schließlich immer wat zu meckern"
Aktuell geht die 44. Auflage "an alter und bewährter Stelle" (Schuck im Programmheft) in Schöneberg über die Bühne. Wie viel Geschichte das Turnier hat, zeigt ein Blick in die Siegerliste: BBC Südost, SC Tegel, der ehemalige Zweitligist Wacker 04 oder die Lichterfelder SU tauchen dort auf – einst bekannte Berliner Clubs, die inzwischen mit anderen Vereinen verschmolzen oder ganz verschwunden sind.
In vielen Städten gibt es in der Halle eine sogenannte Stadtmeisterschaft. An einem Wochenende treffen sich alle Vereine und spielen den Sieger aus. In Berlin ist das seit jeher anders. Von der Berlin-Liga bis zur Kreisliga C hat jede Spielklasse ein eigenes Turnier, mit mehreren Vor- und manche auch mit Zwischenrunden. Abgesehen von Weihnachten und Silvester rollt von Mitte Dezember bis in den Februar fast immer irgendwo ein Ball. Das ist nicht mehr zeitgemäß – sagen die einen. Perfekt, es kann gar nicht genug Hallenfußball geben – sagen die anderen.
Obstkörbe für alle Teams vom ehemaligen Bundesligaprofi
"Ich habe nie daran gedacht, aufzuhören. Der Zuspruch von vielen Seiten lässt einen auch kleine Nackenschläge wegstecken", sagt Jürgen Schuck, und schiebt auf gut berlinerisch hinterher: "Irgendeener hat schließlich immer wat zu meckern." Oder ein Verein hält es nicht einmal für nötig, nach Erhalt der Turnier-Einladung abzusagen. Dass Schuck das nicht begeistert, lässt sich zwischen den Zeilen heraushören.
Schuck ist seit frühester Kindheit am Ball. Beim BSV 92 in der Jugend, in der Berliner Auswahl, einige Jahre beim FC Zürich, dann wieder beim BSV in der West-Berliner Vertragsliga. Später hat er seinen Trainerschein gemacht und war bei Preußen Wilmersdorf (heute 1. FC Wilmersdorf). Inzwischen engagiert er sich bei der Ü50 von Hertha BSC.
Er erinnert sich an ausverkaufte Hallen am Endrundentag der Landesliga mit bis zu 2000 Zuschauern. "Da war richtig was los", sagt Schuck. Das ist lange her. Angst vor Verletzungen führen manche Vereine als Grund für die Nicht-Teilnahme unterm Dach an. Schuck sagt: "Ich sehe die Halle als eine tolle Sache für die fußballlose Zeit."
Die Kosten können seiner Ansicht nach auch nicht ausschlaggebend für Absagen sein. Für 100 Euro Startgeld bekommt jede Mannschaft unabhängig von der Platzierung einen großen Teamkoffer. Neben den üblichen Pokalen gibt es für die Plätze drei bis acht Sachgutscheine und einen Fußball. Der Zweite bekommt 300 Euro, der Sieger 500. Bester Spieler, Torwart und Torschütze werden ebenso ausgezeichnet. Peter Stark, Obsthändler und früher Bundesligaprofi bei Blau-Weiß 90, stellt in der Endrunde Obstkörbe für alle Teams zur Verfügung, "Hier geht keiner leer aus", sagt Schuck.
Mannschaften in Schottenröcken
21 von 31 Landesligisten sind dabei, sie spielen in vier Vorrunden die acht Endrundenteilnehmer aus. Macht bis zum Finale gut 60 Partien. Das Turnier kehrt zu einer alten Tradition zurück: Die Endrunde findet am Neujahrstag statt. Zuschauer erinnern sich gern an Spieler mit buntgefärbten Haaren und Mannschaften in Schottenröcken. Vor vier Jahren war der 1. Januar gestrichen worden. "Die Vereine wollten den Termin nicht mehr", sagt Schuck, "aber es gab zuletzt immer öfter den Vorschlag, das wieder aufleben zu lassen."
In seinen positivsten Rechnungen hofft Schuck auf 800 Zahlende bei der Finalrunde. Aber auch 500 würden ihn schon zufrieden machen. Auf jeden Fall ließ er sich nicht lange bitten und nahm den Neujahrstag ins Programm. Dank seiner guten Verbindungen zum zuständigen Bezirksamt war die Halle schnell gebucht.
Alle Folgen der Kultfigur -Serie:
Teil 18: Peter Droste: Der Mann, der einmal fremdging
Teil 17: Jakob Scherrers aus Waldenrath-Straeten: Der dienstälteste Frauentrainer der Welt
Teil 16: Höpfingens Rotschi: Ein Stadionkasper zum Genießen
Teil 15 Horst Launert von den Sportfreunden Bulmke
Teil 14: Willi Pott von Rot Weiss Ahlen
Teil 13: Karsten Wettberg, der „König von Giesing“, vom ATSV Kelheim
Teil 12: Fritz Ohrem vom BC Bliesheim
Teil 11: Guido Silberbach vom SV Herbede
Teil 10: Kurt Maus vom Euskirchener TSC
Teil 9: Helmut Hübner aus Güstrow
Teil 8: Hako Kluckert vom MFFC Wiesbaden
Teil 7: Eugen Igel aus Hamburg
Teil 6: Paul Esser von Germania Erftstadt
Teil 5: Katharina „Oma“ Fachinger von Fortuna Mönchengladbach
Teil 4: Uwe Neunsinger vom TSV Neustadt/Aisch
Teil 3: Joachim Uhsemann vom SC Eltersdorf
Teil 2: Rainer Gangelhoff vom VfB Homberg
Teil 1: Uli Reisch vom SV Alemannia Waldalgesheim
Autor/-in: Sebastian Schlichting