Josef Weitz hätte ahnen können, dass in dieser Saison noch ein ganz besonderes Spiel ansteht. Schließlich weiß der Klubchef des SV Alemannia Mariadorf, dass 2016 für seinen Verein ohne Wenn und Aber das Jahr der Jubiläen ist. Der Sechstligist aus Alsdorf bei Aachen feiert seinen 100. Geburtstag, mischt als einziges Team seit exakt 70 Jahren ununterbrochen im Spielbetrieb auf Verbandsebene mit und der Vorsitzende selbst ist seit 20 Jahren im Amt. Doch die 1000. Partie seiner Alemannia in der Landesliga Mittelrhein wäre dem umtriebigen 64-Jährigen beinahe durchgegangen. „Wir verwahren zwar noch jede Menge Unterlagen und alte Tabellen in unserem Vereinsheim, aber diese Marke hatten wir nicht auf dem Schirm“, sagt Weitz.
Ein Hinweis aus der Nachbarschaft änderte das. Hans Büttner, der nicht weit entfernt von der Anlage der Alemannia zu Hause ist, stolperte irgendwann über die Zahlen, die Einzigartiges im Verband Mittelrhein ankündigten. „Ich habe mir im Internet die ewige Tabelle der Landesliga angeschaut, ein bisschen gerechnet und wusste, dass mit der Partie gegen den SV Rott diese spezielle Marke erreicht wird“, erzählt Büttner. Kurzerhand verfasste er eine E-Mail, mit der Weitz und dessen Mitstreiter auf das bevorstehende 1000. Spiel aufmerksam gemacht wurden. „Dafür bin ich ihm dankbar, sonst wäre das wohl unbemerkt durchgerutscht“, sagt Weitz, der vor seiner Zeit als Vorsitzender schon 20 Jahre als Geschäftsführer tätig war. Am Sonntag nun war der große Tag, das große Jubiläum.
"Gegen einen Umzug haben wir uns erfolgreich mit Händen und Füßen gewehrt"
Für eine Umgestaltung des Stadionmagazins Südpark-Echo kam der Tipp zu spät. Ohnehin wollte Weitz allzu großen Trubel vermeiden, „schließlich steckt das Team immer noch im Abstiegskampf“, wie er betont. „Darauf gilt es sich zu konzentrieren." Immerhin informierte der Vorsitzende noch den Fußball-Verband Mittelrhein und die örtliche Presse. Und natürlich vergaß der 64-jährige Beamte der Deutschen Bahn AG auch nicht, den Informanten zu der Partie einzuladen. Büttner nahm die Einladung gerne an und schaute sich erstmals live ein Match des SV Alemannia Mariadorf an.
Er dürfte wiederkommen, denn die Land-Alemannia, wie der Klub in Abgrenzung zur großen Alemannia im benachbarten Aachen genannt wird, zeigte ein furioses Jubiläumsspiel. Top-Torjäger Alessio Pinna brachte die Gastgeber nach neun Minuten in Führung. Dem Ausgleich (12.) folgte die prompte Antwort: Marco Vidakovic erzielte das 2:1 (14.), ehe Pinna zum zweiten Mal traf (41.). Zwar verkürzte Rott noch vor dem Wechsel auf 2:3, doch André Hochmuth beseitigte mit dem 4:2 (88.) letzte Zweifel am Erfolg der Alemannia. „Die Jungs haben die Vorgaben mit einer tollen Einstellung umgesetzt“, freute sich Trainer Manuel Ortiz-Gonzalez.
Auch Weitz war nach dem Spiel stolz. Seine Mannschaft hatte gewonnen, sich der ärgsten Sorgen im Abstiegskampf entledigt und befindet sich damit auf dem Weg, der inzwischen mehr als 30 Jahre andauernden Landesliga-Zugehörigkeit mindestens eine weitere Saison hinzuzufügen. „Diese Kontinuität ist schon etwas Besonderes“, unterstreicht Weitz. In all den Jahren habe man im Umland Vereine aufblühen und untergehen sehen, erklärt der 64-Jährige. „Bei uns wurde dagegen nie mit dem großen Geld hantiert, sondern auf Nachhaltigkeit gesetzt.“
So musste man zwar immer wieder den Verlust großer Talente verkraften, aber dafür spielen in der ersten Mannschaft eine ganze Reihe von Eigengewächsen, die dem Team einen besonderen Charakter verleihen. „Das ist eine klasse Truppe“, sagt Weitz. Diese Eigenschaften schätzen auch die Zuschauer - gerade in einem Ort, dessen Einwohner bis zur Schließung der Zechen im Aachener Revier in erster Linie von der harten Arbeit im Steinkohlenbergbau lebten.
Dass der Klub mit seinen rund 600 Mitgliedern, 14 Nachwuchs- und drei Seniorenmannschaften so fest im Ort verwurzelt ist, verdankt er auch seiner zentral gelegenen Sportstätte. „Jahrelang stand ein Umzug an den Ortsrand zur Debatte, aber wir haben uns mit Händen und Füßen gewehrt“, berichtet Weitz. Der Pachtvertrag wurde verlängert und damit ist besiegelt, dass Klubheim, Rasen- und Hartplatz auf absehbare Zeit bleiben, wo sie sind.
Nach der Erneuerung des Tennenplatzes soll bald auch das grüne Geläuf saniert werden. Weitz erzählt das mit Stolz und vielleicht auch ein wenig Wehmut. Denn für ihn ist bald Schluss. „Ich möchte den Vorsitz eigentlich in diesem Jahr abgeben“, sagt er. So hat er es jedenfalls geplant. Weitz geht in Pension – nach exakt 50 Dienstjahren. Noch so ein Jubiläum. Krumme Zahlen, so scheint es, sind in diesem Jahr in Mariadorf einfach nicht vorgesehen.