64 Teams, 63 Spiele, sechs Runden und der große Traum Berlin. Jeder ist heiß auf den DFB-Pokal. Das Besondere an diesem Wettbewerb: Jeder Verein in Deutschland hat die Chance auf eine Teilnahme. Das ist der Anlass für unserer Serie "Der Weg in den DFB-Pokal". FUSSBALL.DE geht per Video alle Etappen mit - von der ersten Runde im Kreispokal bis zum Auftritt auf der ganz großen Bühne. Aktuell im Fokus: der KFC Welate Roj Mönchengladbach. Der B-Ligist steht nach dem 2:0 gegen den klassenhöheren SV Rot-Weiß Hockstein im Halbfinale des Kreispokals Mönchengladbach und ist nur noch einen Sieg vom Einzug in den Niederrhein-Pokal entfernt. Das Spiel gegen den Landesligisten Spvgg. Odenkirchen wurde am Dienstagabend jedoch wegen Unwetterwarnung erst einmal abgesagt und soll nachgeholt werden.
„Im letzten Spiel waren wir der krasse Außenseiter, jetzt der richtig krasse.“
Ob Fernsehen, Radio, Internet: Das ungewisse Schicksal der Kurden im Irak und in Syrien ist dieser Tage allgegenwärtig und bewegt die Weltgemeinde. Das war nicht immer so. „Früher gab es gar keine Kurden“, sagt Mulla Gürmüs. Um solche Vorurteile zu widerlegen, um auf sein Volk aufmerksam zu machen, kämpfte Gürmüs jahrelang für einen eigenen kurdischen Fußballverein. „Ich wollte zeigen, dass es uns gibt, dass wir Kurden Fußball spielen und erfolgreich sein können.“ 1976 kam Gürmüs nach Deutschland, Anfang des Jahrtausends zog er von Köln nach Mönchengladbach. Dort fand er im kurdisch-deutschen Kulturverein Welate Roj zwar eine Anlaufstelle vor, aber eben keinen Fußballklub. Also begann der begeisterte Fußballer den langen Marsch durch die Behörden.
Nach drei Jahren unter dem Dach des Polizeisportvereins machte sich seine Mannschaft selbstständig. „Wir wollten unter unserem eigenen Namen Erfolg haben, unser eigenes Trikot tragen. Wir wollten wir sein“, erzählt Gürmüs, der 2003 den Fußballklub KFC Welate Roj gründete. Mit dem PSV teilen sich die kurdischen Kicker noch heute den Ascheplatz an der Karl-Kämpf-Allee. Die widrigen Bedingungen dort seien Schuld daran, dass der Verein mittlerweile nur noch eine Herrenmannschaft hat, meint Gürmüs, der Erste Vorsitzende. Die Zweite Mannschaft sowie die C- und D-Jugend habe man wieder auflösen müssen, sagt Gürmüs, der zwei Jahre lang parallel den Kulturverein führte, ehe er sich auf den Fußball beschränkte.
"Mich kriegen die nicht los"
Der Oldie steht noch immer selbst auf dem Platz. „Mich kriegen die nicht los“, sagt Gürmüs. Er habe schon längst aufhören wollen, aber, wie das eben so ist, manchmal fehlt ein Spieler, dann springt der Präsident und Co-Trainer auf dem Feld ein. Gürmüs: „Ich bin der Mann für alle Fälle. Wenn der Torwart fehlt, spiele ich im Tor. Wenn der rechte Verteidiger fehlt, spiele ich als rechter Verteidiger. Ich muss nur meine Aufgabe erfüllen, so habe ich Fußball gelernt.“
Gürmüs ist einer der wenigen verbliebenen Kurden im kurdischen Fußballklub. Spieler aus acht Nationen laufen mittlerweile für Welate auf. „Unsere Tür steht für jeden offen. Wir sind multikulti“, sagt Gürmüs. Dennoch belastet die politische Lage im Irak und in Syrien auch den Klub aus Mönchengladbach. „Das strahlt schon in den Verein, man merkt es im Spiel und im Training. Die Jugendlichen beschäftigen sich damit“, sagt Gürmüs. Schon 2007 war der Verein zwischen die Fronten geraten. Während es an der türkischen-irakischen Grenze zu türkisch-kurdischen Konflikten kam, sollte Welate in der Kreisliga auf den türkischen Klub Türkiyemspor Mönchengladbach treffen. Weil im Internet für eine Demonstration gegen die kurdische Untergrundorganisation PKK in Mönchengladbach, Düsseldorf, Köln und Neuss mobilisiert und ausgerechnet die Bezirkssportanlage in Mülfort, wo das Fußballspiel stattfinden sollte, als Treffpunkt angegeben wurde, sagte der Kreis-Fußballausschuss die Partie vorsichtshalber ab.
Auch das Halbfinale im Kreispokal am Dienstag gegen die Spvgg. Odenkirchen musste abgesagt werden - wegen einer Unwetterwarnung. Schließlich hatte das Achtelfinale gegen Fortuna Mönchengladbach wegen eines starken Gewitters abgebrochen und wiederholt werden müssen. Das Duell gegen Odenkirchen soll neu angesetzt werden. Dann geht Welate wieder als Außenseiter in die Partie gegen den Landesligisten. Im Viertelfinale war dem KFC die Überraschung gelungen, der klassenhöhere SV Rot-Weiß Hockstein musste sich mit 0:2 geschlagen geben. Die Umstände hatten Welate in die Karten gespielt. Zahlreiche Hocksteiner Stammkräfte waren ausgefallen – sie hatten einen Ausflug nach München zum Oktoberfest gemacht. Und mit den Widrigkeiten des Ascheplatzes kamen die Favoriten nicht zurecht. Auf diesen Vorteil müssen die Außenseiter im Halbfinale verzichten – trotz Heimspiels. „Odenkirchen trainiert auch auf Asche“, sagt Yama Formuly. Der Trainer hofft, „dass wir keine ganz so hohe Klatsche bekommen. Im letzten Spiel waren wir der krasse Außenseiter, jetzt der richtig krasse. Alles unter einem 0:5 wäre eine Überraschung.“
Jimmy Hartwig besucht den Klub
Im Finale am 22. November wartet bereits der 1. FC Mönchengladbach auf den Sieger des Duells. Der Landesligist zog kampflos in das Endspiel ein – Bezirksligist SC Rheindahlen hatte für die Partie keine Mannschaft zusammenbekommen und abgesagt. Da aber drei Teams in den Niederrheinpokal einziehen, kann auch der Verlierer des zweiten Halbfinals im Spiel um Platz drei gegen Rheindahlen noch das Ticket für den Verbandswettbewerb lösen. „Ich mache mir Hoffnungen auf den dritten Platz“, sagt Gürmüs. „Das können wir schaffen, wenn alle gut drauf sind.“
Der Familienvater, Schichtarbeiter im Tiefdruck, hält seinen Fußballverein unabhängig vom Ausgang des Halbfinales für eine Erfolgsgeschichte. „Für unsere Rahmenbedingungen haben wir viel geschafft. Wir sind auf einem guten Weg“, sagt Gürmüs. Am Dienstag besucht der frühere Nationalspieler und heutige Integrationsbeauftragte des DFB Jimmy Hartwig den Klub. „Das wird ein Highlight für uns“, sagt Trainer Formuly. Die Mönchengladbacher Kurden haben auf sich aufmerksam gemacht.
Das ist unsere Serie
Über die Serie "Der Weg in den DFB-Pokal": Wir begleiten mit einem Kamerateam sowie regelmäßigen Artikeln den kompletten Weg vom Kreispokal über den Landespokal bis zur ersten Hauptrunde im DFB-Pokal. Ausgeguckt haben wir uns dafür den Fußballverband Niederrhein mit dem Pokalwettbewerb im Kreis Mönchengladbach/Viersen.
In den ersten Runden des Wettbewerbs, in dem 42 Teams an den Start gegangen waren, hatte Fortuna Mönchengladbach den FC Maroc Mönchengladbach (4:1) und anschließend Blau-Weiß Wickrathhahn (2:0) ausgeschaltet. Im Achtelfinale war Endstation gegen den KFC Welate Roj Mönchengladbach (0:1), der jetzt bis ins Halbfinale vorgeprescht ist.
Alle Folgen der Serie:
Viertelfinale: Welates Traum geht weiter
Gestatten, mein Cousin spielt bei Manchester
Achtelfinale: Kein Regen, Welate weiter
Nach dem Regen: Zweite Chance für die Fortuna
Achtelfinale: Blitz, Regen, Abbruch
Die Fortuna braucht einen hellwachen Justin
Kult-Oma Fachinger: Treue hat einen Namen
2. Runde: Fortuna nach 2:0 im Achtelfinale
Fortuna ist heiß - und FUSSBALL.DE ist dabei
4:1 - FUSSBALL.DE besucht die Fortuna erneut
Vom Kreis- in den DFB-Pokal: Wir sind dabei
Autor/-in: Arne Leyenberg