Polyester statt Baumwolle. Seit Waltraud Fimpel 1979 begann, die Trikots des SV Westheim zu waschen, hat sich die Fußballbekleidung enorm verändert. Ihr Ehrenamt übt unsere Kultfigur der Woche auch heute noch aus. Die Geschichte der 78-jährigen Waschfrau in unserer Themenwoche Schöner kicken.
Familienbesuch, Eiersuche mit den Kindern, Kaffee und Kuchen, ein kleiner Spaziergang und ein köstliches Abendessen. So oder so ähnlich dürfte für viele Menschen wohl ein Ostersonntag aussehen. Bei Waltraud Fimpel ist es anders. Die 78-Jährige arbeitet ehrenamtlich für den SV Westheim und wäscht die verschwitzten Trikots der Kreisligakicker. Besonders am Osterwochenende hat sie alle Hände voll zu tun. In Württemberg stehen dann nämlich gleich zwei Spiele auf dem Programm. Am Ostersamstag und am Ostermontag.
"Mittlerweile steht auch noch ein 'L' und 'R' auf den Stutzen"
Neben den Trikots der Ersten Mannschaft wäscht Fimpel auch noch die der Reserve. Erste Ladung in die Maschine. Trikots auf den Wäscheständer. Zweite Ladung in die Maschine. Hosen und Stutzen in den Trockner. Und das Ganze noch einmal. "Ich habe den ganzen Sonntag gewaschen", erzählt Fimpel, deren Familie für die Extra-Schichten an Ostern Verständnis aufbringt: "Sie akzeptieren es." Groß gefeiert würde Ostern ohnehin nicht mehr.
Doch Waltraud Fimpel übernimmt die Rolle der Waschfrau nicht nur an Ostern. Nach jedem Spieltag klingelt ein Spieler oder Betreuer an ihrer Tür, um die dreckige Kleidung abzugeben. Für eine kleine Vergütung stellt Fimpel die Trikots bis zur nächsten Begegnung wieder abholbereit in den Keller. Sonntag für Sonntag, Monat für Monat, Jahr für Jahr.
Früher sogar gebügelt
Angefangen hatte alles im August 1979. Der SV Westheim suchte eine helfende Hand. Zuverlässig und treu sollte sie sein – und in der Nähe des Sportplatzes wohnen. Also wurde bei Fimpel nachgefragt. "Sie haben mich so lange bequatscht bis ich 'Ja' gesagt habe", erinnert sie sich. Schließlich sei sie dem Verein sehr verbunden. Ihre Söhne schnürten die Schuhe für das Fußballteam und auch ihr Mann zählte zu den zentralen Figuren im Klub, übte lange Jahre das Amt des Vorsitzenden aus.
In den 35 Jahren als Waschfrau des SVW sah Fimpel nicht nur Hunderte von Spielern kommen und gehen, sondern erlebte auch die Entwicklung der Fußballmode hautnah mit. "Früher musste ich die Trikots noch bügeln, weil sie aus Baumwolle waren", erklärt sie. Die modernen Trikots aus Polyester erleichtern ihre Arbeit. Auch der Verzicht auf Hosentaschen sorgt für Erleichterung. An die vergessenen Taschentücher darin erinnert sich Fimpel nur ungern: "Diese Flusen!"
Emotionaler Aufstieg
Die Stutzen allerdings machen der 78-Jährigen heutzutage mehr zu schaffen als früher. Stutzen mit statt ohne Socken, verschiedene Größen – "und mittlerweile steht auch noch ein 'L' und 'R' darauf", klagt Fimpel, für die diese Veränderungen zusätzliche Sortierarbeit bedeuten. Wenn es am Ende dann mal nicht aufgeht, überlässt sie das Problem eben den Spielern, die beim Umziehen verwundert feststellen, dass sie sich zwei linke Stutzen übergezogen haben. Eine gerechte Strafe, meint Fimpel: "Sie drehen die Stutzen nie um, sodass ich immer in die stinkenden Socken greifen muss."
Dieses kleine Problem belastet das Verhältnis zwischen den Spielern und dem treuen Fan jedoch kaum. Schließlich feuert die 78-Jährige ihre Mannschaft immer noch bei jedem Heimspiel an und auch auswärts sieht man sie oft am Spielfeldrand. Vor dem Warmlaufen begrüßen die Spieler ihre Waschfrau traditionell mit einem freundlichen Handschlag und holen sich vor dem Anpfiff die letzten Tipps ab. Mit Erfolg. In der vergangenen Saison stieg der SV Westheim nach zwei emotionalen Relegationsspielen in die Kreisliga A auf, in der die Mannschaft aktuell den sechsten Platz belegt.
Angesichts der guten Leistungen verzeiht die Waschfrau ihren Spielern auch mal Blut- oder größere Grasflecken auf den Trikots. Auch Unterhosen oder Unterziehshirts wäscht sie den Fußballern gerne mit, nachdem sie – nach eigener Aussage versehentlich - in den Trikotkoffer geraten sind. Anfang Juni wartet dann die wohl verdiente Sommerpause auf Waltraud Fimpel. Im August startet die 78-Jährige anschließend in ihre 37. Saison als Waschfrau des SV Westheim. Zuverlässig und treu – diese Mischung hatte der Verein 1979 gesucht.
Weitere Folgen der Serie:
Teil 37: Olli Hähnke: Spiel mit Zico, Kampf um Neville
Teil 36: Sepp Pfluger: Der Mann, der die Löcher stopft
Teil 35: Hans-Peter Biallas: Denker, Lenker und Wühler
Teil 34: Frank Schmöller: Der Aufbrauser am Seitenrand
Teil 33: Kein Regionalliga-Tag ohne Bettina Kutscher
Teil 32: Verliebt in Berlin: Ex-Profi Peter Stark und der SC Union 06
Teil 31: Opa Egon: Der älteste Fußballer Hamburgs
Teil 30: Joe Spielhoff: Mehr Horst geht nicht