Günter Szopinski hatte alles anders geplant. Eigentlich war er nur zum SC 1912 Buschhausen gewechselt, um sich einen Wunsch zu erfüllen. Sein Cousin Peter gab dort als Spielertrainer die Kommandos. "Und wir wollten unbedingt mal zusammen auf dem Platz stehen und gemeinsam um Punkte kämpfen. Auf diese Momente hatten wir uns gefreut", erzählt Szopinski.
Doch die Freude währte nicht lange. Szopinskis Cousin erkrankte und musste aufhören. Der Oberhausener Klub stand deshalb im Jahr 1991 ohne Trainer da. "Da musste ich einspringen", sagt Szopinski.
Damals sah er sich als Übergangslösung. Doch Szopinski blieb länger - am Ende wurden aus wenigen Monaten 20 Jahre. Aufgrund seiner Treue tauften sie ihn den Otto Rehhagel von Buschhausen . Für Szopinski hinkt der Vergleich: "Ich habe den Rehhagel schließlich überholt", sagt der 54-Jährige mit einem Lachen. Recht hat er: Für Rehhagel war bei Werder Bremen nach 14 Trainerjahren Schluss.
Zweikampf-Video für die Ehefrau
"Mit unseren Aufstiegsfeiern kann keine Meisterparty in der Bundesliga mithalten"
Es gibt noch einen offensichtlichen Unterschied zwischen den beiden Ruhrgebietsmännern: Während der Essener Rehhagel stets mit akkuratem Scheitel an der Linie stand, mag es der Oberhausener Szopinski eine Spur rebellischer. Die Zottelmähne ist zu seinem Markenzeichen geworden. Günter Szopinski steht jedoch für mehr als nur für eine ausgefallene Frisur. Seine leidenschaftliche Art des Coachens ist unverwechselbar, seine Sprüche ebenfalls. Jeder, der sich mit Amateurfußball im Ruhrgebiet beschäftigt, kennt deshalb den Trainer aus Buschhausen.
Dabei wissen einige nicht einmal, wie der Kultcoach mit Nachnamen heißt. Szopinski ist in Oberhausen und Umgebung durchweg als Gün bekannt. Den Spitznamen hatte er bereits während seiner aktiven Zeit. Ende der Achtzigerjahre lehrte "Gün" Szopinski als Abwehrspieler des Duisburger SV 1900 den gegnerischen Angreifern das Fürchten. "Damals wurden unsere Partien immer auf Video aufgezeichnet. Einmal kam ein Gegenspieler nach Abpfiff zu mir und fragte, ob er das Band haben konnte. Der wollte seiner Frau mal zeigen, mit was für einem Tier er am Sonntag zu tun hatte", erzählt Szopinski.
So berühmt-berüchtigt seine Spielweise war, so waren es später auch seine Kolumnen. Woche für Woche analysierte der Kulttrainer in der Oberhausener Ausgabe der Neue Rhein/Ruhr Zeitung das sportliche Geschehen in seiner Heimatstadt. Szopinski sprach Tacheles, auch wenn es um die eigene Mannschaft ging.
Mit Buschhausen spielte er hauptsächlich in der Kreisliga A um Punkte. Zweimal ging es rauf in die Bezirksliga, zweimal auch wieder runter. Einer der Abstiege ist eine Geschichte für sich. "Wir hatten uns am letzten Spieltag gerettet und dementsprechend gefeiert. Da kam später unser Geschäftsführer mit bleichem Gesicht zu mir und musste mir was erzählen. Ich hatte schnell begriffen, dass da was nicht stimmte", erzählt Szopinski. Der Geschäftsführer hatte versehentlich einen nicht spielberechtigten Fußballer auf dem Spielberichtsbogen eingetragen. Der kam zwar nicht zum Einsatz, trotzdem waren die Punkte weg und Buschhausen musste absteigen. Ein schwarzer Moment für den Coach.
Triumphfahrt durch Oberhausen
Doch "Gün" Szopinski durfte auch die schönen Seiten des Trainerjobs genießen. "Mit unseren Aufstiegsfeiern kann keine Meisterparty in der Bundesliga mithalten", erzählt das Urgestein. Er schwärmt noch heute von den Triumphfahrten durch die Stadt, bei dem er mit seinen Jungs auf einem Karnevalswagen stand und sich feiern ließ.
Eigentlich hatte Szopinski für 2012 wieder einen Aufstieg angepeilt. Pünktlich zum 100. Geburtstag des Klubs sollte es mit der Rückkehr in die Bezirksliga klappen. Doch kurz vor der Winterpause schmiss der Trainer hin. Als die Nachricht von seinem Rücktritt die Runde machte, wollte sie zunächst keiner glauben. "Gün" Szopinski gehörte schließlich zum SC 1912 wie das Vereinsheim. Doch der Trainer machte ernst. "Ich kam mit der Einstellung von vielen Spieler einfach nicht mehr klar und bin deshalb gegangen", sagt Szopinski heute.
Die Entschuldigungen per SMS , verkaterte Fußballer beim Anstoß, Spieler, die Beleidigungen unter der Gürtellinie abgaben - das war nicht mehr der Amateurfußball, für den "Gün" Szopinski stand. Deshalb zog er sich zurück.
Andere Vereine in Oberhausen witterten nun ihre Chance und wollten Szopinski verpflichten. Dass er nie eine Trainerlizenz gemacht hatte , war ihnen egal. Sie wollten den Mann holen, der den Job an der Seitenlinie mit so viel Leidenschaft ausfüllte. Doch Szopinski schlug alle Angebote aus. "Ich muss nicht einen Trainerposten haben, um glücklich zu sein", sagt er.
Besuche bei Kumpel Bruns
Fußball bestimmt trotzdem weiterhin sein Leben. Mit der Hobbymannschaft "Team Louisiana" nimmt Szopinski an Turnieren in ganz Nordrhein-Westfalen teil. Am Samstag guckt er in die Zeitung und pickt sich sein persönliches Topspiel des Wochenendes heraus. Mal geht es zum Regionalligisten Rot-Weiß Oberhausen , mal guckt Szopinski dem Trainer Hans-Günter Bruns bei Arminia Klosterhardt über die Schulter. Zum früheren Nationalspieler pflegt er seit Jahren eine Freundschaft.
Auch bei seiner alten Liebe lässt sich Szopinski regelmäßig blicken. "Ich wohne in der Nähe vom Sportplatz. 1912 ist weiter mein Verein und deshalb gucke ich mir da auch einige Spiele an", erklärt der Buschhausener.
Eine Rückkehr auf die Trainerbank ist für Szopinski momentan kein Thema. Ausschließen will er sie aber nicht. "Es müsste dann aber schon eine echte Herzensangelegenheit sein", erklärt Szopinski. So wie damals, als er für seinen Cousin einsprang und zu einem Kulttrainer im Ruhrgebiet wurde.
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Teil 15 Horst Launert von den Sportfreunden Bulmke
Teil 14: Willi Pott von Rot Weiss Ahlen
Teil 13: Karsten Wettberg, der „König von Giesing“, vom ATSV Kelheim
Hier gibt's alle Folgen der Kultfiguren -Serie.