Ralf Theele ist der Inbegriff der Treue, der Vereinsliebe, des Amateurfußballs. Sagenhafte 500 Punktspiele seines Vereins SpVg Emsdetten 05 hat der 45-Jährige in Folge als Fan an der Seitenlinie gesehen. Keine einzige Ligapartie hat er seit dem 27. Februar 1999 verpasst. Und das ist noch nicht alles: Ebenso verfolgte Theele seitdem alle Pokal-, Test- und Hallenturnierspiele der Mannschaft aus Westfalen – nach eigenen Aussagen also sicherlich mehr als 1000 Partien ohne Pause. Am Wochenende wurde er nun vom Verein für seine jahrelange Treue geehrt – doch der Wahnsinn soll für Ralf Theele noch so lange wie möglich weitergehen.
"Ich arbeite im Drei-Schicht-System, sodass ich mir den Dienstplan immer so legen musste, dass ich die Spiele anschauen kann"
Im Jahr 1999 fing alles harmlos an. „Wir haben uns damals mit einigen Kollegen im Stadion getroffen und waren begeistert“, sagt Theele. Doch der Virus hatte ihn sofort gepackt: „Gleich zum nächsten Auswärtsspiel sind wir dann mit Fahnen und Bengalos gefahren und haben Stimmung gemacht.“ Erinnerungen an eine Zeit, in der sich die Liebe zur SpVg Emsdetten immer weiter hochschaukelte. Seither sind viele Jahre vergangen, Theele ist inzwischen auf der Tribüne ein ruhigerer Zeitgenosse geworden.
Für ihn ist nicht die große Fußballbühne reizvoll, sondern gerade die familiäre Atmosphäre im Amateurfußball lässt Theeles Herz höher schlagen. „Die Bundesliga ist mir viel zu anonym. Nach einer Niederlage verschwinden die Spieler einfach in der Kabine und sind bis zum nächsten Spiel untergetaucht.“ Im Gegensatz dazu ist der Dauerbrenner aus Emsdetten vor und nach jedem Spiel seiner Mannschaft auf ein Gespräch mit den Spielern zu haben. „Ich kenne nicht nur die aktiven Spieler gut, sondern habe auch zu etlichen ehemaligen Aktiven und Trainern noch einen guten Kontakt. Durch den Fußball sind bei mir schon viele Freundschaften entstanden“, so Theele.
Für seine unglaubliche Serie von 500 Punktspielen in Folge mussten nicht nur Ralf Theeles Privatleben, sondern auch die Kollegen der Fachkraft für Lagerwirtschaft so einige Male leiden. „Ich arbeite im Drei-Schicht-System, sodass ich mir den Dienstplan immer so legen musste, dass ich die Spiele anschauen kann“, erklärt Theele. Einfach war das natürlich nicht immer. Gerade nach kurzfristigen Neuansetzungen von ausgefallenen Spielen waren die Kollegen oft die Leidtragenden, die spontan eine Schicht des 45-Jährigen übernehmen mussten, um Theele vor dem Abriss seiner Serie zu bewahren.
Sogar die Silberhochzeit der Eltern von Theeles Lebenspartnerin musste hinter einem Spiel der SpVg Emsdetten zurückstehen. „Die Opfer waren teilweise schon groß. Ich habe Glück, dass meine Freundin das alles so mitmacht. Wahrscheinlich ist es auch kein Zufall, dass wir genau seit Februar 1999 zusammen sind“, lacht er. Früher besuchten beide die Spiele oft gemeinsam, seit der Geburt des gemeinsamen Sohnes vor 15 Monaten ist die kleine Familie manchmal zu dritt im Stadion. Wenn Theele mal wieder allein im Stadion ist, weiß er seine Familie immer als große Hilfe hinter sich. Ein langer Urlaub kam für den Emsdettener höchstens in der Sommer- oder Winterpause in Frage. „Meistens bin ich extra nur unter der Woche für ein paar Tage in Urlaub gefahren. Einmal musste ich einen Norderney-Urlaub spontan einen Tag früher abbrechen und wurde in aller Herrgottsfrühe mit dem Taxi vom Hotel abgeholt, da ein Testspiel kurzfristig verlegt wurde“, erinnert er sich.
Kein Ende der Serie in Sicht
Ralf Theele ging mit seinem Verein durch dick und dünn. In dieser Saison spielt der Verein in der Landesliga in Westfalen und belegt einen gesicherten Mittelfeldplatz. Unter den Augen des Edel-Fans spielte die Spielvereinigung jedoch auch schon fünf Jahre in der Oberliga – und machte die Talfahrt bis hinunter in die Bezirksliga mit. Eine Achterbahn der Gefühle: „In der Bezirksliga-Zeit habe ich das ein oder andere Mal gedacht, warum ich mir das Ganze noch Woche für Woche antue“. Es sei deprimierend gewesen, in dieser Zeit fast jedes Auswärtsspiel mit dem Fahrrad besuchen zu können. „Am Ende hat der Verstand gesiegt und ich bin weiter über die Dörfer getingelt“, lacht Theele.
Doch in die andere Richtung waren die Ausschläge auf der Gefühlsachterbahn für den 45-Jährigen wohl eindeutig extremer. So etwa in der Oberliga-Saison 2004/05, als die SpVg Emsdetten im Heimspiel gegen den VfL Bochum II mit 0:2 zurückliegt und in einer furiosen Partie noch den 3:2-Sieg packt. „Das ganze Stadion stand Kopf“, erinnert sich Theele an einen der Höhepunkte seiner Zeit am Spielfeldrand. Aber auch die Feier zum 100-jährigen Jubiläum des Vereins im Jahr 2005 war ein Highlight für Theele. „Wir haben damals zuhause gegen Arminia Bielefeld gespielt und hatten ein dreitägiges Programm auf die Beine gestellt“.
Ein weiterer Höhepunkt dürfte für Theele am Wochenende bei seinem 500. Spiel als Fan auf der Tribüne dazu gekommen sein. Beim Heimspiel gegen Westfalia Gemen wurde er vom Vereinsvorstand und dem Trainerstab geehrt. „Das war ein sehr bewegendes Erlebnis. Es gab so viel positive Resonanz von allen Seiten“, sagt Theele. Die Mannschaft der SpVg Emsdetten überreichte ihrem treuesten Fan vor der Partie ein signiertes Trikot mit der Rückennummer 500 und versprach, alles dafür zu geben, um dem Jubilar einen Sieg zu schenken. „Leider hat es nur zu einem 1:1-Unentschieden gereicht“, so Theele. Für den 45-Jährigen geht es dennoch weiter: „Ich habe mir kein Ziel gesetzt, wie viele Spiele ich noch in Serie sehen will. Solange es mir Spaß macht, versuche ich sie natürlich zu wahren“, freut sich Theele auf die kommenden Spiele seiner Lieblingsmannschaft.
Weitere Folgen der Kultfiguren Serie:
Teil 61: Kultfigur Kluth: Mit 82 Jahren immer noch Schiri
Teil 60: Anton Plattner: Tiki-Taka mit dem Altmeister
Teil 59: Die Ibrahimis: Hier pfeift die Schiri-Familie
Teil 58: Hier kommt Kurt: Auch mit 81 noch der Macher
Teil 57: Mirko Kluges schlauer Plan: Kicken statt Langeweile
Teil 56: Talent-Spürnase Wimmer: Er förderte Schweini
Teil 55: Legende Burgbacher: Keine fliegt so schön
Teil 54: Der Trainer-Trainer-Spieler: Markus Marburg ist Kult!
Teil 53: Hans Lubberich: Der 650-Kilometer-Chronist
Teil 52: Urgestein Karl Schmidt: Vorbild seit 1948
Teil 51: Mr. Meckinghoven: Wassereis statt Magnum Gold
Teil 50: Wie Treter Dieter Becker zum Kultschiri wurde