Die zweite Mannschaft des FC Rendel spielt am Sonntag um 13 Uhr in der Kreisliga B auswärts. „Die ersten 30 Minuten werde ich da sein“, sagt Trainer Markus Marburg. Dann verlässt er den Sportplatz in Nieder-Wöllstadt, springt ins Auto und fährt die 25 Minuten nach Rockenberg. Bei der dortigen TUS tritt um 15 Uhr die erste Mannschaft des FC Rendel in der Kreisliga A Friedberg an. Trainer auch hier: Markus Marburg.
Klingt alles nicht so einfach bei dem knapp 20 Kilometer nordöstlich von Frankfurt beheimateten Verein. Und es könnte noch ein wenig komplizierter werden: „Wenn die Zweite am Sonntag jemanden braucht, spiele ich die erste halbe Stunde mit“, sagt Marburg. Trotz eines Schien- und Wadenbeinbruchs vor einigen Jahren springt er bei nicht selten auftretenden personellen Engpässen ein. Um in der Abwehr zu helfen, reicht es noch: „Schnelligkeit ist dabei sicher nicht meine große Stärke.“
Mit der ungewöhnlichen Dreifach-Aufgabe als Trainer beider Männer-Teams und Spieler auf Abruf in der Zweiten hat er Erfahrung. Die zweite Mannschaft trainiert der 34-Jährige seit sechs Jahren, die erste seit Anfang 2011. Lange Zeit war alles ziemlich einfach zu handhaben. Die Zweite hat in der Reserverunde gespielt, die Erste direkt danach in der Kreisliga, fast immer auf demselben Platz.
Ausgeklügelte Logistik
"Schnelligkeit ist sicher nicht meine große Stärke"
Durch eine Umstrukturierung der Ligen ist der Planungsaufwand erheblich größer geworden. Zu Hause ist es kein Problem, da wird oft an verschiedenen Tagen gespielt. Auswärts wird es komplizierter. Rendel schickt regelmäßig Autobesatzungen mit Spielern durch den Wetteraukreis, die bei der Zweiten früher ausgewechselt werden und sich bei der Ersten auf die Bank setzen. Bei solch einer ausgeklügelten Logistik darf nicht viel schiefgehen. Einmal standen Partien der Ersten und Zweiten nacheinander in Ostheim an. Es gibt 35 Kilometer voneinander entfernt zwei Ostheims, einige Spieler landeten im falschen.
Vier Mal in der Hinrunde stößt Planungsprofi Marburg an Grenzen: Wenn beide Teams auf die Minute zeitgleich auswärts antreten. Auch er kann beim besten Willen nicht in Reichelsheim und Rosbach gleichzeitig sein. Dann trainiert Marburg die erste Mannschaft und sein Co-Trainer Daniel Hufnagel die Zweite. Wahrscheinlich. Denn: Keine Rendeler Regel ohne Ausnahme. Fehlen bei der Zweiten Spieler, läuft Marburg auf und sein Assistent übernimmt die Erste.
Eben alles nicht so einfach, aber: „Bis jetzt klappt es ganz gut“, sagt Marburg. Was die – noch jungen – Tabellen belegen: Platz eins für Rendel I , Platz sieben für Rendel II . Nach zwei Spieltagen waren beide Teams sogar jeweils verlustpunkfrei Tabellenführer. Eine Tatsache, die der Wetterauer Zeitung ein großes Interview mit Trainer-Trainer-Spieler Marburg wert war.
Bald kommt Nachwuchs
Marburg arbeitet in einem Wohnheim für Behinderte, Schichtbetrieb. Seine Chefin ermöglicht es ihm, dass er an Sonntagen vor oder nach den Spielen arbeiten kann. Alles wunderbar, solange nicht auf der auch am Wochenende stauanfälligen A5 mal wieder Hochbetrieb herrscht.
Zu den Spielen kommt zwei Mal die Woche Training, immer mit beiden Mannschaften zusammen. Im September wird Marburg zum ersten Mal Vater. Das wird ebenfalls nicht für eine Entspannung seines Terminkalenders führen. Aber er will den Doppel-Trainerjob weiterführen. Insgesamt, so Marburg, mache er ja schon weniger im Verein als früher. Jugendtrainer war er. Die Linien auf dem Platz hat er öfter gezogen. Und als niemand 2. Vorsitzender sein wollte, hatte sich Marburg vorübergehend dazu bereiterklärt.
Ganz ohne offizielle Funktion ist er nebenbei auch Botschafter des Vereins in aller Welt. Dauerkarten für 50 Euro das Stück, inklusive einem Freigetränk pro Spiel, hat Marburg schon an seinen Bruder in Berlin und Freunde verkauft, die in China, Vietnam oder der Karibik leben. Wer es aus China nicht zu jedem Heimspiel schafft, darf übrigens gerne bei einem Heimspiel mehrere Freibiere einlösen – da ist der Verein großzügig.
Weitere Folgen der Serie:
Teil 53: Hans Lubberich: Der 650-Kilometer-Chronist
Teil 52: Urgestein Karl Schmidt: Vorbild seit 1948
Teil 51: Mr. Meckinghoven: Wassereis statt Magnum Gold
Teil 50: Wie Treter Dieter Becker zum Kultschiri wurde
Teil 49: Chronist Lampey: Mit Lewandowski in Straelen
Teil 48: Mit 82: „Der Alte an der Pfeife“ hört auf
Teil 47: Marion Jochheim: Einmal Mutti, einmal Mutti
Teil 46: Der “Effenberg von Seeheim” macht Schluss
Teil 45: Karl-Heinz Pflumm: Der Freund der Schiris
Teil 44: Hauke Janssen: Deutschlands verrücktester Trainer
Teil 43: Jochen Baumann: Ältester Keeper Deutschlands?
Teil 42: Murat Karakas: Fladenbrot und Fallrückzieher
Teil 41: Robert Rosar: Feierbiest und Zahlengenie
Teil 40: ”Bredi” Breitenberger: Fan, Freund, Phänomen
Autor/-in: Sebastian Schlichting