Kübler: Der Mann, der Frauenwünsche erfüllt
Daniel Kübler bei der Tätigkeit als Hallensprecher (links) und als Coach der Charlottenburger Frauen-Bezirksliga-Mannschaft. [Foto: SC Charlottenburg Frauenfußball, privat, FUSSBALL.DE / Collage: FUSSBALL.DE]
Frauenfußball in Berliner Hallen ist ohne Daniel Kübler nicht denkbar. Der Mitorganisator und Hallensprecher, genannt "The Voice", der auch Musikwünsche der Spielerinnen erfüllt, ist seit mehr als 20 Jahren immer dabei. Zudem trainiert Kübler das Frauen-Bezirksligateam des SC Charlottenburg. Der 36-Jährige ist unsere FUSSBALL.DE-Kultfigur der Woche.
"Sein Erfahrungsschatz ist für uns unersetzbar. Leute wie ihn braucht der Frauenfußball"
In Berlin laufen bereits die ersten Pflichtspiele auf dem Feld. Höchste Zeit, das Kapitel Hallenfußball zu schließen. Aber dieses Wochenende hat es für Daniel Kübler noch einmal in sich: Knapp 20 Stunden wird er anwesend sein. Als Mitorganisator und vor allem als Hallensprecher. Immer im Dienste des Frauenfußballs. Am Samstag spielen drei Kleinfeld-Ligen ihre Besten unter dem Dach aus, am Sonntag folgt ab 11 Uhr in der Sporthalle Schöneberg das Masters, „der absolute Höhepunkt“, sagt Kübler.
Mit dem Endspiel beim Masters – für das sich insgesamt zwölf Teams qualifiziert haben – endet die Hallenserie der Frauen. Vermutlich nur einer hat dann alle gut 200 Spiele gesehen: Daniel Kübler. Hier ist er in offizieller Funktion unterwegs. Dazu kommen zahlreiche Männer-Turniere, die er aus privatem Interesse besucht hat. Was bringt jemanden dazu, zwischen Mitte Dezember und Anfang Februar 120 Stunden mehr oder weniger begabten Fußballern bei ihrer Freizeitbeschäftigung zuzuschauen? Darunter zwölf Stunden in der Kreisliga C am zweiten Weihnachtsfeiertag. Kübler muss nicht lange überlegen: „Du siehst viele verschiedene Teams in kurzer Abfolge. Der Spiel ist schnell, mit vielen Emotionen.“
Oft gebe es auch etwas zum Schmunzeln. Ein Torwart, der verzweifelt, weil er dauernd zurückgepfiffen wird, wenn er seinen Strafraum verlässt (das ist nur zur Abwehr erlaubt) oder ein Trainer, der während des Spiels auf der Bank telefoniert, seien stellvertretend genannt.
Helene Fischer & die Toten Hosen
Kübler, 36 Jahre alt, geht seit mehr als 20 Jahren zum Hallenfußball. Inzwischen auch als Berichterstatter fürs Fachblatt Fußball-Woche und seit neun Jahren als Hallensprecher. „The Voice“ wurde er bereits im Freundeskreis genannt. Frauenfußball in Berliner Hallen ohne Kübler? Kaum vorstellbar. Doch dies ist nur ein Teil seines Engagements: Er ist Ligen-Ansetzer, trainiert die Frauen des SC Charlottenburg in der Bezirksliga und führt die größte Facebookseite zum Thema Frauen- und Mädchenfußball in der Stadt. „Sein Erfahrungsschatz ist für uns unersetzbar. Leute wie ihn braucht der Frauenfußball“, sagt Nadine Fröhnel, Frauenreferentin beim Berliner Fußball-Verband (BFV).
Ein Turnier beginnt für Kübler, der beruflich beim Beschwerdemanagement einer Fluggesellschaft tätig ist, spätestens 45 Minuten vor dem ersten Anpfiff. Wenn nötig, tauscht er dafür Schichten bei der Arbeit. Er überprüft Lautsprecheranlage und Spielerpässe, bereitet die Aufstellungen vor. In der Berlin-Liga, der höchsten Spielklasse der Stadt, kann er den meisten Spielerinnen die Namen direkt zuordnen. Ist er bei der Aussprache unsicher, fragt er nach. „Da bin ich Perfektionist“, sagt Kübler.
Rollt der Ball, vermeldet er – in ruhigem Ton und klar verständlich – Torschützen und den Hinweis „wir gehen in die letzte Spielminute.“ Darauf folgt eine Musikeinspielung, vorab in stundenlanger Heimarbeit von ihm zusammengestellt und sehr bunt gemischt: Helene Fischer, eine nur absoluten Experten bekannte russische Band, die Toten Hosen... Gerne werden Wünsche der Spielerinnen erfüllt. Als Kübler einmal erfuhr, dass eine ungarische Kickerin mit dabei sein wird, bereitete er ein Lied einer ungarischen Folk-Metal-Band vor: „Diese Musik mag ich selbst.“ Der Coup gelang: Die Spielerin schaute ungläubig und erkundigte sich später nach dem Namen der Gruppe.
Im Kampfgericht hat Kübler meist eine Dose Cola und mehrmals am Tag frische Mettbrötchen vom Imbiss neben sich. Dazu einen Spielplan und die Aufstellungen. Wer ein Tor schießt, bekommt ein Strich neben dem Namen. Um die Zeitnahme kümmert sich seit zwei Jahren Julia Schoenberner, Kapitänin beim von Kübler trainierten SC Charlottenburg. Vorher bildete er über Jahre ein Duo mit Nadine Fröhnel. „Als eingespieltes Team läuft es fast von selbst“, sagt er.
Früher hat er aktiv Fußball gespielt – mit überschaubarem Talent. Als er in verschiedenen Vereinen zum „Trainingsweltmeister“ ernannt wurde, wechselte er das Betätigungsfeld. Kübler hat mehrere Frauen-Teams trainiert, seit zwei Jahren ist er beim SCC. Anfangs reichte der Kader gerade fürs Kleinfeld, inzwischen hat er 26 Spielerinnen und liegt mit dem Team im ersten Jahr auf dem großen Feld auf Rang vier.
Für Kapitänin Julia Schoenberner ist er der achte Trainer beim SCC: „Keiner hat sich so für uns ins Zeug gelegt wie Daniel.“ Angefangen hatte Kübler Ende der 90er Jahre als Pressesprecher der Frauen des 1. FC Union. Die Akzeptanz des Frauenfußballs sei seitdem deutlich größer geworden. Luft nach oben sieht er aber auf jeden Fall noch.
Sein Einsatz nimmt viel Zeit in Anspruch. Darunter leidet das – ebenfalls zeitintensive – große Hobby Groundhopping. In 43 Ländern hat er bereits Spiele gesehen, darunter Albanien, Andorra und Moldawien. Der Besuch von fünf Partien pro Wochenende in Berlin waren für ihn in der Vergangenheit Standard. Es fehlt ihm zwar, aber alles geht nicht. Zwei Mal die Woche ist Training beim SCC, dazu die Spiele. Und im Winter eben Hallenturniere: „Klar ist es manchmal stressig. Aber wenn an einem Zwölf-Stunden-Tag alles gut geklappt hat, könnte ich gleich noch ein Turnier einschieben.“ Das wäre vielleicht eine Idee fürs nächste Jahr.
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