Der Herr der Werbebanden hat sein Revier gewechselt: 18 Jahre lang kümmerte sich Josef Knopp vor den Heimspielen der TuS Koblenz um den Aufbau der Werbebanden. Seit Beginn der Saison 2015/16 ist er offiziell Zeugwart des Klubs. Für den 58-Jährigen ging damit ein Kindheitstraum in Erfüllung. Josef Knopp ist unsere FUSSBALL.DE-Kultfigur der Woche.
"Am liebsten würde ich das Wochenende über im Stadion schlafen, damit ich am Sonntag bloß nichts verpasse"
Zunächst war es bloß eine Schwärmerei, doch schnell wurde daraus die Liebe des Lebens. Inzwischen kommt Josef Knopp nicht mehr um den Begriff Ehe herum, wenn er seine Verbundenheit zum früheren Zweit- und heutigen Oberligisten TuS Koblenz beschreiben soll. „Es ist wie im echten Eheleben. Mal gibt es gute Zeiten, mal schlechte Zeiten“, schmunzelt Knopp. An sein erstes Date mit dem Verein kann er sich noch gut erinnern. „Die beiden damaligen TuS-Spieler Gürbüz und Selcuk Acar wohnten im selben Ort wie ich. Für mich stand damit fest, dass ich mir mal ein Spiel live im Stadion anschauen muss“, berichtet Knopp. Anfang der 90er-Jahre war das, seither ist er dem Klub treu geblieben, auch wenn es in all den Jahren immer eine Geliebte an seiner Seite gegeben hat. „Ich bin auch noch Fan des 1. FC Köln“, gesteht Knopp kleinlaut. „Aber wenn ich mich entscheiden muss, dann ganz klar für die TuS. Mit der Zeit ist mir der Klub einfach sehr ans Herz gewachsen.“
Heute verpasst Josef Knopp keine einzige Trainingseinheit seines Lieblingsvereins. Schon Stunden vorher ist er am Stadion zugegen, so auch an diesem verregneten Herbsttag. Nach und nach trudeln die ersten Trainingsgucker ein, Knopp begrüßt jeden persönlich per Handschlag. Man kennt sich eben. „Zehn Minuten später, der Trainer hält gerade noch eine kurze Ansprache“, informiert Knopp die ungeduldigen Kiebitze. „Und trainiert wird heute ausnahmsweise auf dem Kunstrasenplatz.“ Die Menge gehorcht und macht sich auf den Weg zum Nachbarplatz. Ganz hinten reiht sich Knopp ein. In der einen Hand ein Ballnetz, in der anderen eine Wasserkiste. „Für die Jungs mache ich das gerne. Das sind doch schließlich alles feine Kerle“, sagt er. „Der Verein könnte mich Tag und Nacht anrufen. Wenn meine Hilfe benötigt wird, bin ich sofort zur Stelle.“
Manchmal muss er sich sogar selbst ein wenig bremsen. Dann nämlich, wenn er mal wieder beim Aufbau der Werbebanden helfen will. „Der Drang, hinzugehen und die Banden aufzustellen, ist immer noch da“, erzählt Josef Knopp. „Wenn ich meine Freunde vom TuS-Helferteam sehe, will ich am liebsten sofort anpacken. Aber als Zeugwart habe ich am Spieltag selbst alle Hände voll zu tun.“
Seit 1997 gehörte er dem TuS-Helferteam an, baute vor den Heimspielen die Werbebanden auf und anschließend wieder ab. Welche Bande wohin musste, wie weit weg sie vom Spielfeld zu stehen hatte – Josef Knopp hatte alles ganz genau im Kopf. Erlebt hat er in diesen knapp zwei Jahrzehnten so einiges. Zum Beispiel einen Milivoje Novakovic , der „mit voller Wucht gegen die Bande getreten hat. Ich stand zwei Meter daneben und konnte alles ganz genau beobachten“, verrät Josef Knopp. „Die Kölner lagen mit 1:3 hinten, der Frust war entsprechend groß. Ich sehe noch, wie Novakovic an mir vorbeiläuft und plötzlich mit seinem Fuß ausholt. Dann hört man auch schon einen lauten Knall.“
Ob nun Novakovic, Jürgen Klopp, Lukas Podolski, Klaas-Jan Huntelaar oder der Brasilianer Marcelinho – Josef Knopp bekam sie im Laufe der Zeit alle aus nächster Nähe zu Gesicht. Wirklich glauben kann er es bis heute aber immer noch nicht. „Sonst kennt man die Personen ja nur aus dem Fernsehen und plötzlich stehen die vor dir. Das waren schon tolle Erlebnisse, die ich niemals vergessen werde“, sagt Knopp.
Dass er in seiner neuen Funktion als Zeugwart nicht mehr ganz so schwer zu schleppen hat, kommt ihm gelegen. „Ich hatte schon seit längerem Probleme mit dem Knie, das hat sich dann auch beim Aufbau der Werbebanden immer mehr bemerkbar gemacht“, erzählt Josef Knopp, der jahrelang selbst Fußball gespielt hat. „Als die Anfrage kam, musste ich nicht lange überlegen, schließlich war das schon immer mein großer Traum gewesen. Ich war ja bisher noch nie so wirklich in der Kabine, sondern stand immer nur davor und habe mit einem Auge rübergeschaut.“ Mittlerweile sei der Kabinentrakt sein zweites Wohnzimmer, sagt Knopp mit einem Schmunzeln und plaudert aus dem Nähkästchen: „Man merkt, wie konzentriert die Spieler vor dem Anpfiff sind. Am Anfang redet man noch miteinander und albert herum, aber nur fünf Minuten später wird der Tunnelblick aufgesetzt. Das ist schon interessant zu beobachten.“
Nach Siegen wird in der Kabine ausgelassen gefeiert – jedoch ohne „Jupp“, wie ihn die Spieler liebevoll nennen. „Nein, das halte ich dort drin einfach nicht aus. Die Jungs drehen die Musik so laut auf, dass die Wände wackeln. Da versteht man sein eigenes Wort nicht mehr“, sagt Josef Knopp. Einen großen Bogen würde er am liebsten auch um die Schuhkammer machen. „Dort sieht es aus wie in einem Puppenladen. Gelbe, grüne, rote Schuhe – das ist überhaupt nicht mein Geschmack. Ich habe es lieber so wie früher, also klassisch schwarz-weiß“, lässt Knopp den Traditionalisten erkennen.
Immer freitags macht sich bei ihm die Vorfreude auf das kommende Spiel bemerkbar. „Am liebsten würde ich das Wochenende über im Stadion schlafen, damit ich am Sonntag bloß nichts verpasse“, so Josef Knopp. Was passieren müsste, dass er mal nicht im Stadion sein könne? „Das ist eine gute Frage“, grübelt Knopp. Die Anzahl verpasster Spiele in den letzten Jahren könne er an einer Hand abzählen, selbst 40 Grad Fieber würden ihn nicht vom Stadionbesuch abhalten. „Ach was, das geht während der 90 Minuten von ganz allein wieder weg“, witzelt Knopp.
Kürzlich musste er dann aber doch passen, ein lange im Voraus geplanter Wochenendtrip nach Hamburg stand an. Zähneknirschend trat Josef Knopp die Reise mit seiner Freundin an. Abschalten konnte er nicht wirklich, alle paar Minuten informierte er sich über den aktuellen Spielstand. Als der Sieg endlich in trockenen Tüchern war, ging es auf die Reeperbahn. Natürlich stilecht im Trikot seines Herzensvereins.
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Autor/-in: Dennis Smandzich