Michael Wurst ist wohl einer der schrägsten Vögel des Ruhrgebiets. Um den 40-Jährigen in einem Wort zu beschreiben, müsste man sich etwas Neues ausdenken: Vielleicht ginge es in die Richtung „Fußballverrücktermusikergutmensch“. Oder so ähnlich. Aber selbst diese Wortneuschöpfung würde nicht alles abdecken. Denn Michael Wurst hat in seinem Leben schon so viel erlebt, dass man ganze Bücher über ihn schreiben könnte.
"So langsam muss ich mich mit dem Gedanken anfreunden, dass ich bald die Fußballschuhe an den Nagel hängen werde"
Doch der Reihe nach. Beleuchtet man die fußballerische Karriere des Michael Wurst , so fällt auch hier auf, dass er keine normale Laufbahn vorzuweisen hat. „Ich war früher ein echter Wandervogel“, sagt der gebürtige Bochumer. „Bis zu meinem 28. Lebensjahr habe ich für unterschiedliche Vereine in der dritten und vierten Liga gespielt“. Darunter fallen Stationen bei der SG Wattenscheid 09 , Westfalia Herne , der SpVgg Erkenschwick , bei Borussia Wuppertal oder den Amateuren des VfL Bochum .
Inzwischen ist Wurst beim westfälischen Bezirksligisten FC Frohlinde heimisch und ist dort seit dieser Saison als Spielertrainer aktiv. „Trotz meines biblischen Alters bin ich noch immer recht flott unterwegs und weiß ungefähr wo das Tor steht“, lacht Wurst. In den letzten beiden Saisons erzielte er stolze 53 Pflichtspieltore für seinen FCF. „So langsam muss ich mich mit dem Gedanken anfreunden, dass ich bald die Fußballschuhe an den Nagel hängen werde, sodass ich jetzt den Spagat zwischen Spieler und Trainer angenommen habe“, sagt Wurst. Wenn er also nicht auf dem Platz auf Torejagd geht, coacht er die erste Mannschaft des FC Frohlinde zusammen mit seinem Trainer-Kollegen Stefan Hoffmann. Im Verein ist Michael Wurst äußerst beliebt: „Er ist ein durch und durch verrückter Typ. Einfach nur crazy, aber sehr sympathisch. Michael ist ein Mann mit Herz und Verstand“, sagt Jörg Wunsch, Sportlicher Leiter des FCF.
Eine Single mit Gold-Status
Doch wer denkt, dass die fußballerische Karriere des Michael Wurst schon außergewöhnlich war, der kennt seine weitere Vita noch nicht. Im Jahr 2003 bewarb sich der musikbegeisterte Mann aus dem Ruhrpott bei der Sat1-Castingshow Star Search und schaffte es dabei auf den dritten Platz. „Ich bin in einer Musikerfamilie groß geworden, das war schon immer meine Leidenschaft“, so Wurst. Er erhielt einen Plattenvertrag bei Universal Music und veröffentlichte noch im selben Jahr seine erste Single „Are You Ready“, die für die Saison 2003/04 gleich als Titelsong für die Fernsehübertragungen des Senders Sat1 über die UEFA Champions League eingespannt wurde. „Das war eine verrückte Zeit.“ Kurz darauf war er dann Teil des ersten Cover-Projekts zum altbekannten Weihnachtssong „Do They Know It´s Christmas“ von Bob Geldorf. „Wir waren weltweit die ersten, die den Song in der heute bekannten Cover-Version singen durften. Wir waren sozusagen das Pilotprojekt, erst nach uns kam die englische Version mit all den Topstars auf den Markt“, erinnert sich der Alleskönner. Sogar Gold-Status erreichte die Single. Zur Zeit liegt Michael Wurst vor allem sein Projekt „Der kleine Engel“ am Herzen: Das musikalische Weihnachtsmärchen läuft schon seit sieben Jahren als Hörspiel in Bochumer Kirchen und ist ein fester Bestandteil des städtischen Jahreskalenders.
Kürzlich wurde dann Michael Wursts zweiter Auftritt in einer Castingshow ausgestrahlt: Vor einer Woche sah man den leidenschaftlichen Musiker auf der Bühne der ProSieben-Castingshow The Voice of Germany , bei der er zur großen Verwunderung aller Beteiligten nicht in die nächste Runde einziehen konnte. Wurst hatte vor der Jury um Andreas Bourani und Co. den Song „Spinner“ von der deutschen Band Revolverheld gesungen und das Publikum regelrecht zum Kochen gebracht – nur die Stühle der Juroren hatten sich nicht umgedreht. „Ich denke, dass ich mich trotzdem sehr ordentlich verkauft habe. Ich war schon etwas sauer, dass es nicht geklappt hat, denn am Auftritt war im Nachhinein betrachtet nichts zu bemängeln. Am Ende entscheidet aber auch der Musikgeschmack der Jury“, sagt Wurst. „Trotzdem ist klar: Man muss als Künstler damit leben, dass meine Arbeit eben nicht allen gefällt. Einmal schütteln und weiter geht’s“. Einen Vorteil hat das Ausscheiden in den Blind Auditions des Casting-Formats für Wurst aber dennoch: „Meine Kinder haben gesehen, dass nicht immer alles rund laufen kann und dass ihr Papa nach dieser Niederlage, als die ich das Ausscheiden betrachte, aufsteht und weitermacht. Es war schön, wie stolz meine Kinder auf mich waren.“ Etwas Gutes hatte der Auftritt für Michael Wurst auch in beruflicher Hinsicht: Nach der mitreißenden Performance erhielt der 40-Jährige schon mehrere Anfragen zu TV-Drehs und für Werbeaufnahmen.
Seinem sonstigen Höhenflug als Musiker spielte auch ein anderes Projekt in die Karten: Während seiner Zeit bei Star Search wurde der bekannte Film Das Wunder von Bern von Sönke Wortmann veröffentlicht, in dem Michael Wurst in den Spielszenen die Rolle eines ungarischen Nationalspielers übernahm. „Ich habe zu der Zeit bei Borussia Wuppertal gespielt und bin über meinen damaligen Mitspieler Knut Hartwig gefragt worden, ob ich mitmachen möchte. Ich habe natürlich sofort zugesagt“, sagt Wurst. Sechs Tage lang wurden in einem extra zu drei Vierteln aufgebauten Stadion vor den Toren Kölns Szenen des legendären WM-Finales zwischen Deutschland und Ungarn von 1954 nachgestellt. „Es war toll, alles mitzuerleben, es hat unglaublich viel Spaß gemacht“. Ein Höhepunkt des Drehs war für Michael Wurst das Treffen mit Horst Eckel, Weltmeister von 1954 und somit Zeitzeuge der vor dem Green Screen nachgestellten Spielszenen. „Es war sehr spannend, alles aus erster Hand zu erfahren“, erinnert sich Michael Wurst an den Kontakt mit dem ehemaligen Nationalspieler. Übrigens war der Dreh zum Film nicht Wursts einzige Station vor der Kamera – nach seinem dritten Platz bei Star Search drehte Sat1 eine Doku-Soap über seine Familie. Der ausgefallene Name: „Familie Wurst“.
Neben seiner musikalischen und filmischen Karriere ist Michael Wurst außerdem seit neun Jahren Stadionsprecher des VfL Bochum. „Mein Herz gehört dem VfL! Für mich ist es ein Monster-Job, es macht riesigen Spaß, so nah dran zu sein“, sagt der 40-Jährige. Steht Wurst nicht als Spieler oder Trainer für den FC Frohlinde auf dem Platz, als Sänger auf der Bühne oder als Stadionsprecher im Bochumer rewirpowerStadion, so kümmert er sich um die familieneigene Versicherungsagentur, die das finanzielle Fundament für die sonstige Haupteinnahmequelle, die Musik, darstellt.
Seine Bekanntheit im Ruhrpott nutzt Michael Wurst besonders gern für den guten Zweck: „Gleich vor der Haustür gibt es so viele Probleme, die angepackt werden müssen. Ich bin immer gerne am Start.“ Dabei steht für ihn vor allem die Lebenshilfe Bochum an erster Stelle. „Gerade wenn es um Kinder geht, sage ich nicht nein“. Für ihn ist der Spruch „Gesundheit ist das wichtigste“ nicht nur eine Floskel – er hat schon heftigste Schicksale gesehen und die Betroffenen unterstützt. „Ich empfinde es als Privileg, dass der liebe Gott mir ein so buntes und vielfältiges Leben gegeben hat“, sagt Wurst. Für ihn ist es selbstverständlich, seine Lebensfreude an andere weiterzugeben und somit zu helfen. Deshalb unterstützt er auch das lokale Projekt „Bochumer Jungs mit Herz“, das sich vorranging um Probleme im Bochumer Umfeld kümmert.
Michael Wurst hat viele Baustellen, die er gleichzeitig beackert. Trotzdem ist dem 40-Jährigen anzumerken, dass er jede seiner Aufgaben mit Herzblut, Leidenschaft und vollem Engagement anpackt. Ein Mann, dessen Leben schon jetzt unzählige fantastische Geschichten zu bieten hat. Es werden nicht die letzten sein im Leben des buntesten Hundes des Ruhrpotts.
Weitere Folgen der Serie:
Teil 64: Wäschefrau Johanna Bus: Mit Neururer fing alles an
Teil 63: Grotifant vom KFC Uerdingen: Der Rockstar unter den Maskottchen
Teil 62: Der treue Theele: 500 Ligaspiele in Folge
Teil 61: Kultfigur Paul Kluth: Mit 82 Jahren immer noch Schiri
Teil 60: Anton Plattner: Tiki-Taka mit dem Altmeister
Teil 59: Die Ibrahimis: Hier pfeift die Schiri-Familie
Teil 58: Hier kommt Kurt: Auch mit 81 noch der Macher
Teil 57: Mirko Kluges schlauer Plan: Kicken statt Langeweile
Teil 56: Talent-Spürnase Wimmer: Er förderte Schweini
Teil 55: Legende Burgbacher: Keine fliegt so schön
Teil 54: Der Trainer-Trainer-Spieler: Markus Marburg ist Kult!
Teil 53: Hans Lubberich: Der 650-Kilometer-Chronist
Teil 52: Urgestein Karl Schmidt: Vorbild seit 1948
Teil 51: Mr. Meckinghoven: Wassereis statt Magnum Gold
Teil 50: Wie Treter Dieter Becker zum Kultschiri wurde