Manfred Binz wurde fast Deutscher Meister und fast Europameister. Einen Titel aber wird er wohl für immer tragen. „Manni, der Libero, das ist nie aus ihm rausgegangen“, sagt Benjamin Binz. Wenn der Sohn mit seinem Vater unterwegs ist, staunt er nicht schlecht, wie viele Menschen den Senior noch erkennen. Und vor allem schätzen. „Er wird hier im Frankfurter Raum gemocht“, sagt Benjamin Binz. „Obwohl er in Offenbach war.“
Denn 1999 hatte sich Manfred Binz Unerhörtes erlaubt. Der Frankfurter Bub, der schon in der Jugend und später zwölf Jahre lang als Profi für die Eintracht gespielt hatte, wechselte ausgerechnet zum Erzrivalen Kickers Offenbach in die zweite Liga. Nachhaltig beschädigt hat der Ausflug auf die andere Mainseite den Ruf des gebürtigen Frankfurters nicht. Und auch der Sohn hatte unter der alten Rivalität nicht zu leiden. „Mit dem Nachnamen Binz hatte ich nie ein Problem“, sagt der 28 Jahre alte Benjamin. „Im Gegenteil. Viele freuen sich darüber, dass ich der Sohn von Manni Binz bin. Ich habe mich aber auch nie auf meine Herkunft berufen. Ich bin immer meinen eigenen Weg gegangen.“
Dieser Weg führte ihn unlängst wieder zurück zu seinem Heimatverein. Gemeinsam mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Niklas läuft er wieder für Germania Enkheim auf, wo er vor mehr als 20 Jahren das Fußballspielen begonnen hatte. „Ich wohne dort, viele meiner Kumpels spielen in Enkheim“, sagt Verteidiger Benjamin. Das passt. „Und meine besten Jahre kommen erst noch.“ Nach acht Jahren beim FSV Frankfurt hatte er sich für den Beruf und gegen den Traum vom Fußballprofi entschieden. Der möglicherweise verpassten Chance trauert der Automobilkaufmann nicht hinterher. „Überhaupt nicht, ich habe alles richtig gemacht“, sagt Binz. Er spielte in der zweiten Mannschaft in der Oberliga für den FSV, in der Vorbereitung trainierte er auch in der ersten Auswahl mit.
Drei Leistenbrüche
"Mit dem Nachnamen Binz hatte ich nie ein Problem"
Allerdings erbte Benjamin Binz von seinem Vater nicht nur das Talent, sondern auch die Verletzungsanfälligkeit. „Mein Vater hat weiche Leisten, das konnte er als Leistungssportler ganz gut kompensieren, ich hatte leider nicht so viel Glück“, erzählt Binz. Drei Leistenbrüche innerhalb eines Jahres warfen ihn zurück. Bruder Niklas hat mittlerweile das gleiche Schicksal ereilt. Er erholt sich gerade noch vom jüngsten, dem insgesamt dritten, Leistenbruch und läuft nur gelegentlich in der Gruppenliga für Enkheim auf.
Manchmal steht dann auch der Vater an der Seitenlinie. Wenn er nicht, wie derzeit, mit der Fußballschule der Eintracht in China unterwegs ist. Dabei braucht der frühere Nationalspieler, der 14 Länderspiele machte und 1992 in Schweden Vize-Europameister wurde, nicht den großen Auftritt. „Ich kenne kaum einen ruhigeren Typen als meinen Vater“, sagt Benjamin. „Er steht ganz geduldig am Spielfeldrand, er ist ein sehr bodenständiger Typ.“ Tipps gibt er nur dann, wenn er sicher ist, dass ihn niemand hören kann. Dabei hat Manfred Binz viel weiterzugeben.
1988 wurde er mit der Eintracht DFB-Pokalsieger, 1992 verpasste er die Meisterschaft nur knapp. Vier Jahre später flüchtete er nach dem Abstieg und einigen atmosphärischen Störungen nach Italien. Beim Zweitligisten Brescia Calcio übte er nach dem Training oft noch mit einem gerade 17 Jahre alten Talent Freistöße. Andrea Pirlo habe er damals prophezeit, ein Superstar zu werden, erinnert sich Binz. Falls der Nachwuchskicker, der damals in Brescias zweiter Mannschaft auflief und mit den Profis trainierte, mit beiden Beinen auf dem Boden bliebe. So wie er eben.
Vater als Trainer
Nach einer Saison im Trikot von Borussia Dortmund kehrte Binz dann in seine Heimat zurück. „Er braucht sein Bockenheim“, sagt Benjamin. In dem Frankfurter Stadtteil wuchs Manfred Binz auf, heute wohnt er wieder dort. Am anderen Ende der Stadt trainierte er 2010 den Sohn. Ehe er als Co-Trainer zu den Offenbacher Kickers zurückkehrte, übernahm Manfred Binz die Germania aus Enkheim als Coach. „Wir hatten noch nie so ein erstklassiges Training, es hat super funktioniert“, erinnert sich Benjamin. Auch wenn es für viele seiner Teamkameraden ungewohnt war. „Wir sind eben eine Amateurmannschaft.“ Für Benjamin war das Training nichts Neues. Seit seiner Kindheit hatte er schließlich gemeinsam mit dem Vater gekickt. Nicht nur im heimischen Garten. „Wir hatten überall Tore“, erinnert sich Benjamin. „Im Keller und im Innenhof.“
Auch heute tritt Manni Binz beim Training von Germania Enkheim schon noch mal gegen den Ball. „Aber das Tempo ist nichts mehr für ihn“, sagt Benjamin. Lieber schauen sie abends gemeinsam Champions League im Fernsehen. Dort ist der Vater schließlich auch mal aufgelaufen. Für Borussia Dortmund, gegen Real Madrid. Natürlich als Libero. Dieser Titel ist ihm nicht mehr zu nehmen.
Alle Folgen der Serie:
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Autor/-in: Arne Leyenberg